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Bundeshaushalt : Der Schuldenschleier

Christian Lindners Haushalt verrät nicht, wie es um die deutschen Finanzen steht. Bild: dpa

Wer wissen will, wie es um die Neuverschuldung steht, darf nicht länger auf den Bundeshaushalt schauen. Das sagt mehr über die Lage aus als jede Zahl, die Finanzminister Lindner nennt – das ist bitter.

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          Was Christian Lindner dem Kabinett vorgelegt hat, sieht aus wie eine Punktlandung: Die Neuverschuldung bleibt dieses Jahr knapp unter 100 Milliarden Euro, und in der Folge hält der Bund die strenge Defizitobergrenze im Grundgesetz wieder ein – obwohl Corona weiter wütet, der Klimawandel bekämpft werden muss und die Welt nach Russlands Überfall auf die Ukraine eine Zeitenwende durchlebt. Wie hat der Bundesfinanzminister das nur geschafft?

          Die Antwort ist ernüchternd: Der FDP-Politiker hat das nicht erreicht, das Ganze ist eine Täuschung, ein einziges Illusionstheater. Das beginnt mit dem Nachtragshaushalt 2021, der beschlossen wurde, als das Jahr abgelaufen war. Es setzte sich fort mit dem „Sondervermögen Bundeswehr“, das nur aus einer Kreditermächtigung besteht, die bei der Berechnung der zulässigen Neuverschuldung ausgeklammert wird. Es endet (vorläufig) mit einem Ergänzungshaushalt, bei dem man noch nicht weiß, was er enthalten soll, der aber schon das Tor für weitere Belastungen künftiger Generationen weit öffnet.

          Auch in Krisenzeiten bleibt es dabei: Schulden gibt es nicht zum Nulltarif. Dass der Staat mit seinen Anleihen Geld verdient, ist eine Ausnahmesituation. Vielmehr gilt weiterhin: Schulden von heute sind Steuern von morgen. Deswegen darf man sie nicht verstecken, wie es die Koalition systematisch versucht.

          Der Kernhaushalt spiegelt nur noch einen Teil der Wirklichkeit. Viele Ausgaben laufen außerhalb: Die Programme im Energie- und Klimafonds addieren sich dieses Jahr auf 28 Milliarden Euro, 2025 werden es knapp 48 Milliarden Euro sein. Das ist dann mehr als ein Zehntel des Bundeshaushalts. Noch krasser ist das Auseinanderlaufen bei der Kreditaufnahme. In Lindners Zahlenwerk bewegt man sich in den nächsten Jahren in der Größenordnung von 10 Milliarden Euro.

          Tatsächlich wird der Bund den Kapitalmarkt viel mehr belasten. Haushaltstechnisch sind viele Kredite in die Jahre 2021 und 2022 gesteckt worden. Wer wissen will, wie es um die Neuverschuldung steht, darf nicht länger auf den Bundeshaushalt schauen. Das sagt mehr über die Lage aus als jede Zahl, die Lindner nennt. Das ist bitter.

          Manfred Schäfers
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

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