Interview mit FDP-Chef : „Alles, bloß kein CDU-Finanzminister“
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Lindners Vision: Das Finanzministerium soll aus der Hand der CDU genommen werden. Bild: Helmut Fricke
FDP-Chef Christian Lindner will verhindern, dass Kanzlerin Merkel im Finanzressort weiter durchregiert. Und er warnt sie im Gespräch mit der F.A.Z., während der Koalitionsgespräche in Brüssel neue Tatsachen zu schaffen.
Herr Lindner, im Wahlkampf haben Sie die angegrünte Politik der großen Koalition heftig attackiert. Jetzt treffen Sie sich mit CDU, CSU und Grünen doch zu offiziellen Gesprächen über eine Koalition. Haben Sie nach der Wahl plötzlich Gemeinsamkeiten entdeckt?
Nicht mehr als vorher. Da es aber um die Stabilität der Bundesrepublik geht, wäre die Verweigerung von Gesprächen unverantwortlich. Es gibt allerdings bislang keinen Umriss eines gemeinsamen Projekts. In den letzten Jahren sind sich CDU, SPD und Grüne im Gegenteil sehr ähnlich geworden. Sie bilden den politischen Mainstream, der den Staat allzuständig macht, Unterschiede nivelliert und eine moralische Überheblichkeit kultiviert. Wir könnten nur einer Koalition angehören, die sich davon unterscheidet.
Sie sprechen von der vernünftigen Mitte, der die FDP ein Angebot machen wolle. Ist das nicht auch überheblich und vertieft die Gräben im Land?
Ich will einerseits zum Ausdruck bringen, dass die Menschen in der Mitte der Gesellschaft vernachlässigt wurden. Und zum anderen wird viel in Extrempositionen gedacht. Bei den fünf großen „E“, über die wir in den Sondierungen sprechen müssen, ist die Position der Vernunft verlorengegangen. Dazu gehören: Europa, Energie, Entlastung, Einwanderung und Edukation, also Bildung.
Sie bezeichnen die Weichenstellung für Europa als schwierigste Frage der Jamaika-Verhandlungen. Als rote Linien nennen Sie die Vergemeinschaftung von Schulden und die Schaffung neuer Geldtöpfe. Das sind zentrale Ideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Besteht hier wirklich Konsens in der FDP, man hat etwa den EU-Politiker Graf Lambsdorff auch anders im Ohr?
Machen Sie sich keine Sorgen. Es gibt in einer liberalen Partei immer Nuancen, aber im Ziel sind wir einig. Unser gemeinsames Anliegen ist die finanzpolitische Eigenverantwortung der Mitglieder der Währungsunion. Wir wollen das Haftungsprinzip stärken, die Maastricht-Regeln anwenden und bei der Staatsfinanzierung zur Marktwirtschaft zurückkehren. Übrigens nehme ich mit Interesse wahr, dass Präsident Macron rote Linien in der Reformdebatte abgelehnt hat, während seine Regierung eine solche zieht, wenn sie eine automatische Beteiligung privater Gläubiger an künftigen Rettungsprogrammen ausschließt. Dabei wäre dies ein Instrument, um die Politik über marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu disziplinieren.
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Der scheidende CDU-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble fordert diese Gläubigerbeteiligung auch. Er will den Krisenfonds ESM, der hohe Reserven hat, ausbauen zu einem Europäischen Währungsfonds – unter der Bedingung, dass sich private Gläubiger an künftigen Rettungsprogrammen beteiligen müssen. Die FDP will aber lieber den ganzen Rettungsfonds abschaffen. Warum?
In einer Währungsunion, in der die Defizitregeln des Vertrags von Maastricht wieder eingehalten werden, wären dauerhafte Rettungsschirme nicht erforderlich. Einer Debatte werden wir uns nicht verschließen, aber unsere Vorschläge sind ein Insolvenzrecht für Staaten und eine freiwillige Austrittsmöglichkeit aus dem Euro. Von einem Europäischen Währungsfonds befürchte ich, dass die Vertreter der Stabilitätspolitik dort in der Minderheit wären und ein Pumpwerk für Finanztransfers geschaffen wird. Die Vorschläge von Wolfgang Schäuble waren ja früher schon interessant, hatten aber mit dem, was dann umgesetzt worden ist, kaum etwas zu tun. Er hat bekanntlich beim dritten Griechenland-Paket gegen seine eigene Überzeugung votiert, weil die Bundeskanzlerin ihn überstimmt hat. Das wäre ein Rücktrittsgrund gewesen.