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Xi auf Staatsbesuch : Europas Drahtseilakt im Umgang mit China

Europa balanciert, Macron zwinkert. Bild: Reuters

Chinas Präsident Xi besucht Macron. Der erhofft sich neue Aufträge für die Wirtschaft. Italiens Regierung ist sich beim Umgang mit China nicht einig. Und die Deutschen handeln viel mit China – und warnen dennoch.

          3 Min.

          Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping trifft sich am Montagnachmittag mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, um einige Wirtschaftsverträge zu unterschreiben. Am Sonntag hatte er seine Europareise in Frankreich fortgesetzt und sich am Abend in der Nähe von Nizza mit Macron getroffen. Am Dienstag werden zusammen mit Macron auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und der EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Junker in Paris auf Xi Jinping treffen. Dies soll ein geschlossenes europäisches Auftreten gegenüber China verdeutlichen, wie es in diplomatischen Kreisen in Paris und Berlin hieß.

          Christian Schubert
          Wirtschaftskorrespondent für Italien und Griechenland.
          Tobias Piller
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Doch die Tatsache, dass Italien und andere süd- sowie osteuropäische Länder an der umstrittenen chinesischen Initiative der „Neuen Seidenstraße“ teilnehmen, stellt die Einheitsfront in Frage. Europa braucht einerseits China als Wirtschaftspartner, gleichzeitig hat es aber Angst vor seinem Expansionsdrang. Das kristallisiert sich beispielsweise am Umgang mit dem chinesischen Telekomkonzern Huawei heraus. Frankreich hat noch nicht entschieden, ob er an der Ausschreibung für die 5G-Lizenz teilnehmen darf. Befürchtet wird etwa, dass die Telekomnetze für Spionagezwecke genutzt werden könnten, außerdem will man Technologieverlust vermeiden. Xi hatte auch deshalb ausdrücklich vor seiner Ankunft in Nizza einen Zwischenstopp in Monaco eingelegt. Monaco Telecom arbeitet schon seit 2012 mit Huawei zusammen und hat dort im vergangenen September mit dem Ausbau eines 5G-Netzes begonnen.

          Auch Frankreich macht den Chinesen den Hof

          Innerhalb der EU verlangt Frankreich eine robuste Antwort auf die Chinesen und will chinesische Anbieter etwa von strategischen Technologiebereichen fernhalten. „Paris fordert eine härtere Linie gegenüber Peking als Berlin, auch wenn sich Berlin kürzlich bewegt hat“, erläuterte der französische China-Experte Philippe Le Corre von der Havard Kennedy School in Boston. Einige chinesische Investitionen in Frankreich wie die Beteiligung am Flughafen von Toulouse, aus der sich ein chinesischer Investor wieder zurückziehen will, sind in schlechter Erinnerung geblieben.

          Die Interessen zwischen Deutschland und Frankreich sind indes nicht deckungsgleich. Deutsche Unternehmen exportierten im vergangenen Jahr Waren im Wert von gut 93 Milliarden Euro nach China, während es aus Frankreich nur 21 Milliarden Euro waren. Bei ausländischen Direktinvestitionen ist der Abstand noch größer.

          Dennoch macht auch Frankreich den Chinesen den Hof. Die Unterzeichnung substantieller Aufträge wird in dieser Woche erwartet, unter anderem in der Luftfahrt, im Nuklearbereich sowie für einen französisch-chinesischen Satelliten. Die Franzosen freuen sich auch, dass sie nach 17 Jahren Abwesenheit infolge der Krise um den Rinderwahnsinn seit kurzem wieder französisches Rindfleisch nach China exportieren dürfen. Nicht zuletzt will Frankreich zudem als Touristenziel attraktiv bleiben, weil chinesische Urlauber eine wichtige Einkommensquelle sind.

          29 Dokumente

          Unterdessen gehen in Italien die Diskussionen über die Zusammenarbeit mit China weiter. Der Vizepremier und Vertreter der Fünf-Sterne-Bewegung Luigi Di Maio gab sich stolz darüber, dass Italien als erstes G7-Land ein Abkommen über die Beteiligung am chinesischen Projekt der „Neuen Seidenstraße“ unterzeichnet habe.

          Koalitionspartner und ebenso Vizepremier Matteo Salvini von der Lega distanzierte sich dagegen von den Vereinbarungen und kommt damit den Sorgen der amerikanischen Regierung entgegen, aber auch denen der norditalienischen Unternehmen, die unter chinesischer Konkurrenz leiden. „Das ist kein Wettkampf mit gleichen Waffen“, sagte Salvini. Zum Abschluss von Vereinbarungen müsse man sich über die Natur des Partners klar sein; China sei kein freier Markt und keine westliche Demokratie.

          Am Samstag hatten chinesische und italienische Vertreter insgesamt 29 Dokumente unterzeichnet, etwa über die Zusammenarbeit im Projekt der Neuen Seidenstraße, nicht nur in der Logistik, sondern auch in der Telekommunikation, zudem für die Zusammenarbeit des staatlichen chinesischen Baukonzerns für den Ausbau der Häfen in Genua und Triest, Projekte für den Bau von Gaspipelines in China durch den staatlich kontrollierten italienischen Netzbetreiber Snam sowie eine Kooperation des italienischen Gasturbinenbauers Ansaldo Energia mit den Chinesen.

          Das staatliche italienische Finanzhaus Cassa Depositi e Prestiti will mit „Panda-Bonds“ die Expansion italienischer Mittelständler in China finanzieren. Chinas institutionelle Investoren sollen die Bonds für 1,2 Milliarden Euro kaufen, damit sollen Kredite an italienische Firmen vergeben werden, die von Italien garantiert sind.

          Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte auf dem EU-Gipfel in Brüssel in der vergangenen Woche, dass „es noch besser ist, wenn man einheitlich agiert“. Derweil kritisierte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) die Teilnahme Italiens am ,Seidenstraßen‘-Projekt heftig. Wir „können nur bestehen, wenn wir als EU geeint sind“, sagte Maas der „Welt am Sonntag“. „Und sollten einige Länder glauben, man kann mit den Chinesen clevere Geschäfte machen, werden sie sich wundern und irgendwann in Abhängigkeiten aufwachen.“ Kurzfristig lukrative Angebote bekämen schneller als gedacht einen bitteren Beigeschmack. „China ist keine liberale Demokratie.“ Und im Moment sehe es auch nicht so aus, als würde sich das bald ändern.

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