Schlechte Wirtschaftsdaten : China knickt ein
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Bald wieder ohne Maske? Medizinischer Mitarbeiter in Schanghai Bild: dpa
Nun brechen auch noch die Exporte unter den Lockdowns ein – panisch läutet Chinas Führung das Ende von „Null Covid“ ein.
Eigentlich bedarf es keines Beweises mehr, wie besorgt Chinas Führung über die Lage des Landes ist. Doch dann lieferten ihn die Staatsmedien am Mittwoch ein weiteres Mal: mit ihrer Berichterstattung über die jüngste Handelsbilanz des Exportweltmeisters.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, die in Chinas Propaganda den Ton vorgibt und ihre Befehle direkt aus dem Büro von Parteichef Xi Jinping erhält, titelte, in den ersten elf Monaten des Jahres seien Aus- und Einfuhren um 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Das ist, in der Währung Yuan gerechnet, zwar richtig. Die viel entscheidendere Nachricht über den Handel im gerade abgelaufenen November erwähnte Xinhua jedoch mit keinem Wort: In dem Monat sind die Exporte in Dollar gerechnet um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gefallen.
Bereits im Oktober waren sie leicht gesunken. Das Wachstum der Exporte sei in diesem Jahr „der einzige Lichtblick“ in der chinesischen Wirtschaft gewesen, schrieb Finanzprofessor Michael Pettis von der Peking Universität. Wenn die Exporte, wie von den meisten Ökonomen prognostiziert, weiter fielen, setze dies Peking „stark unter Druck“, die Einnahmeausfälle mit staatlichen Investitionen zu kompensieren. Der Präsident der Europäischen Handelskammer, Jörg Wuttke, nannte die Handelsstatistik „absolut schockierend“. Der Verlauf der chinesischen Wirtschaft sei „wirklich schwach“. Davon künden auch die wie im vorangegangenen Oktober nun auch im November stark gesunkenen Einfuhren. Diese fielen im Jahresvergleich um 10,6 Prozent.
Die Gesundheitscodes bestimmen
Zahl für Zahl lässt sich in der Statistik der Preis für Chinas radikale Null-Covid-Politik nachlesen. So sank im November beispielsweise der Export von Smartphones um ein Drittel. Dazu beigetragen hat unter anderem das Chaos in der weltgrößten Fertigungsstätte von Apples iPhone im zentralchinesischen Zhengzhou. Dort waren nach einem Virusausbruch Ende Oktober Zehntausende Arbeiter aus Angst vor harscher Quarantäne ohne angemessene Versorgung mit Essen und Medizin aus der Fabrik geflohen – nicht selten Hunderte Kilometer zu Fuß, weil die auf Rot umgeschalteten „Gesundheitscodes“ auf den Smartphones das Benutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erlaubten.
Die Gesundheitscodes, die über das Leben von 1,4 Milliarden Chinesen bestimmen, seien nichts anderes als „Sklaverei in der digitalen Ära“ und müssten abgeschafft werden, fordert bereits seit Langem Yanzhong Huang von der New Yorker Denkfabrik Council on Foreign Relations, einem der besten Kenner des chinesischen Gesundheitssystems. Einen ersten Schritt dazu unternahm die Regierung am Mittwoch. In einem zehn Punkte umfassenden Plan kündigte die Nationale Gesundheitskommission an, dass die Codes künftig nicht mehr vor dem Einstieg in Busse und an den Eingängen von Bahnhöfen und Flughäfen vorgezeigt werden müssten. Auch für den Zutritt zu öffentlichen Gebäuden soll der Code nicht mehr nötig sein.
Die schärfste Abkehr von der bisherigen Null-Covid-Politik ist die Ankündigung der Kommission, dass Infizierte mit milden Symptomen und ihre direkten Kontaktpersonen nicht mehr in zentralisierte Quarantäne in einem Lager oder Krankenhaus müssen, sondern sich stattdessen für fünf bis sieben Tage zu Hause isolieren dürfen. Auch sollen die PCR-Tests, die etwa in Schanghai bisher alle zwei bis drei Tage von jedem einzelnen Bewohner absolviert werden müssen, weitgehend abgeschafft und teilweise durch Schnelltests ersetzt werden. Das chinesische Brokerhaus Soochow Securities schätzt, dass die Massentests Chinas Staat in diesem Jahr 1,7 Billionen Yuan (233 Milliarden Euro) kosten werden. Dies entspricht rund der Hälfte der öffentlichen Ausgaben für Bildung im Jahr 2020.
Die Börsen reagierten auf die Nachricht von einer schnellen Öffnung des Landes am Mittwoch mit einem Kursverlust. So sank der Hongkonger Hang Seng-Index bis zum Handelsschluss um 3,2 Prozent. Beobachter führen das unter Verweis auf die Anlegerweisheit „Buy the rumor, sell the news“ auf Gewinnmitnahmen zurück, weil die Märkte bereits in den vergangenen Wochen auf eine Lockerung der Restriktionen gewettet hatten. Allerdings haben Wirtschaftsvertreter auch gewarnt, dass eine komplette Öffnung des Landes wohl noch bis zum Sommer dauern werde. Angesichts der drohenden Überlastung des chinesischen Gesundheitssystems bei einem schnellen Anstieg der Fallzahlen sehe er ein „ziemliches Hin und Her“, hat der Chef der Deutschen Handelskammer in Peking, Jens Hildebrandt, der F.A.Z. gesagt.