Mehr Lohn und Inflationsgeld : 6,5 Prozent und einmal 3000 Euro für Chemie-Beschäftigte
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Ein Mitarbeiter eines Chemieunternehmens in Sachsen-Anhalt wirft einen Blick in eine Emulsionslinie. Bild: dpa
Das ging schnell: Arbeitgeber und die Gewerkschaft IG BCE haben sich auf einen Tarifabschluss für die Beschäftigten der Chemie- und Pharmabranche geeinigt. Sie bekommen deutlich mehr Geld.
Die Gewerkschaft IG BCE und der Arbeitgeberverband BAVC haben sich mitten in der Energiekrise auf ein neues Tarifpaket für die 580.000 Beschäftigten der Chemie- und Pharmaindustrie geeinigt. Wie beide Seiten am Dienstag in Wiesbaden mitteilten, sieht es als tarifliches Inflationsgeld Sonderzahlungen in zwei Tranchen von jeweils 1500 Euro pro Kopf vor, die spätestens im Januar 2023 und im Januar 2024 fällig werden.
Ebenfalls jeweils zum Januar 2023 und 2024 greifen zudem tabellenwirksame Entgelterhöhungen von je 3,25 Prozent, in Summe also 6,5 Prozent. Beide Stufen der Entgelterhöhung sind flexibilisiert; sie können aus wirtschaftlichen Gründen jeweils um bis zu drei Monate verschoben werden.
Mit dem tariflichen Inflationsgeld wird das Angebot der Bundesregierung, zur Entlastung der Menschen Zahlungen der Arbeitgeber von bis zu 3000 Euro steuer- und abgabenfrei zu stellen, voll ausgenutzt. Sonderzahlungen und tabellenwirksame Entgelterhöhungen erzeugen in Summe für Chemie-Beschäftigte eine Nettoentlastung von durchschnittlich 12,94 Prozent, in der Einstiegs-Entgeltgruppe liegt sie bei 15,64 Prozent.
„In dieser historischen Ausnahmesituation mit ungekannten Inflationsraten und drohender Rezession haben die Tarifparteien Verantwortung für die Beschäftigten, den Industriestandort und die Binnennachfrage zugleich übernommen“, sagte der Vorsitzende der IG BCE, Michael Vassiliadis. „Dieser Abschluss hat Signalwirkung über die Branche hinaus. Beweist er doch, dass gut gemachte Tarifpolitik zentraler Baustein eines gesamtgesellschaftlichen Bollwerks gegen Inflation und Energiekrieg sein kann.“
„Ein Signal für Standort und Beschäftigung“
„Wir senden ein Signal für Standort und Beschäftigung: Arbeitgeber und Gewerkschaft ziehen in der Krise an einem Strang“, kommentiert BAVC-Präsident Kai Beckmann. „Die Folgen des Krieges treffen unsere Branche besonders. Umso wichtiger ist, dass wir die vorhandenen Gegensätze mit konstruktiver Tarifpolitik überbrücken. Das zeichnet die Sozialpartnerschaft unserer Branche aus.“
Im April hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft wegen der wachsenden Unsicherheiten infolge des Ukrainekriegs zunächst auf eine siebenmonatige Brückenlösung mit einer einmaligen Zahlung von 1400 Euro geeinigt. Unternehmen in Schwierigkeiten hatten die Möglichkeit, die Zahlung auf 1000 Euro zu verringern. Die IG BCE war in die dritte Verhandlungsrunde ohne eine konkrete Forderung gegangen, hatte aber auf eine nachhaltige tabellenwirksame Erhöhung der Entgelte gepocht.
Ursprünglich hatte die Gewerkschaft einen Tarifabschluss oberhalb der Teuerungsrate angestrebt. Zum Zeitpunkt der Forderung war die Inflation aber noch deutlich niedriger, bevor sie infolge des Ukrainekriegs auf neue Höchstwerte geklettert war. Im September war die Inflation in Deutschland mit 10 Prozent so hoch wie seit 1951 nicht mehr. Die Bundesregierung prognostiziert eine durchschnittliche Inflationsrate von 8 Prozent in diesem Jahr und 7 Prozent 2023.
Die Chemiebranche ist als größter industrieller Energieverbraucher in Deutschland von den explodierten Energiepreisen stark betroffen. Für die Unternehmen ist Gas nicht nur der wichtigste Energieträger, sondern wird auch in großen Mengen zur Produktion ihrer Produkte benötigt. Ihnen fällt es immer schwerer, steigende Kosten durch höhere Preise an die Kunden abzuwälzen.
Der weltgrößte Chemiekonzern BASF schrieb im dritten Quartal in Deutschland rote Zahlen und kündigte in der vergangenen Woche ein neues Sparprogramm an, das auch Stellenstreichungen vorsieht. Die Chemiebranche mit 1900 Betrieben ist Deutschlands drittgrößter Industriezweig nach der Automobilindustrie und dem Maschinenbau.