Abreise aus Brüssel : Kanadische Handelsministerin bricht Ceta-Verhandlungen ab
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Aus Brüssel abgereist: Chrystia Freeland, die kanadische Handelsministerin Bild: AP
Nach Protesten von Wallonien hat die kanadische Handelsministerin die Ceta-Verhandlungen vorläufig abgebrochen und ist aus Brüssel abgereist. Ein Scheitern rückt näher.
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) steht auf der Kippe. Die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland brach am Freitag die Gespräche mit der belgischen Region Wallonien über Ceta ab. Die EU sei derzeit nicht in der Lage, mit Kanada ein Handelsabkommen abzuschließen, sagte Freeland. Sie werde aus Brüssel abreisen, bestätigte ihr Sprecher. Auch der lokale Sender RTBF berichtete von einem Scheitern der Verhandlungen.
Die Regionalregierung von Wallonien weigert sich beharrlich, dem unterschriftsreifen Vertrag zuzustimmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatten sich am frühen Nachmittag noch optimistisch gezeigt, dass eine Lösung in den kommenden Tagen zustande kommt. Die EU-Kommission betonte am Freitagabend nach der Abreise von Freeland, sie gehe nach wie vor nicht von einem endgültigen Scheitern der Verhandlungen aus. Man halte den Verhandlungsstopp mit der Regionalregierung von Wallonien nicht für das Ende des Weges zur Unterzeichnung von Ceta, hieß es aus der Brüsseler Behörde.
Die belgische Zentralregierung ist wie die der anderen 27 EU-Länder für das Abkommen. Ihr sind aber die Hände gebunden, solange Wallonien die Zustimmung versagt. Ceta kommt nur zustande, wenn alle EU-Staaten dafür sind. Die EU und Kanada wollen das fertig ausgehandelte Ceta-Abkommen eigentlich am 27. Oktober unterzeichnen.
Die Tür schließt sich
Doch langsam schließt sich die Tür dafür. Auch wenn niemand offiziell von einem Scheitern sprechen will: Hinter den Kulissen von Kommission und Rat war schon die Rede davon, es gehe angesichts der anhaltenden Blockade des Abkommens durch Wallonien bei vielen schon darum, gesichtswahrend aus der Bredouille herauszukommen.
Tatsächlich bleibt der EU nur noch bis Dienstag Zeit, die Wallonen zur Zustimmung zu Ceta zu bewegen. Anschließend ist es zu spät, um die geplante Unterzeichnung beim EU-Kanada-Gipfel Ende der kommenden Woche formal noch ausreichend vorzubereiten.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte nach dem Ende des Gipfeltreffens zwar die Hoffnung auf eine Lösung in den kommenden Tagen. Ratspräsident Donald Tusk fügte aber hinzu: „Ich mache mir weiter Sorgen.“ Der belgische Ministerpräsident Charles Michel sprach von einer „Radikalisierung der Positionen“ der wallonischen Regionalregierung. Er hoffe jedoch weiter auf eine Lösung. „Wir sitzen noch am Verhandlungstisch, und wenn man am Tisch sitzt, dann muss man wild entschlossen sein, alles zu tun, um der Lösung eine Chance zu geben“, sagte der Regierungschef.
Zusatzerklärung zu Umwelt- und Sozialstandards
Die Kommission und die kanadische Regierung hatten am Donnerstag neue Vorschläge vorgelegt, um den Ministerpräsidenten des französischsprachigen, wirtschaftsschwachen Walloniens, den Sozialisten Paul Magnette, zum Einlenken zu bewegen. In der auch auf Drängen der deutschen SPD vereinbarten Zusatzerklärung sollte unter anderem nochmals und noch deutlicher klargestellt werden, dass Ceta nicht zur Senkung von Umwelt- und Sozialstandards führen darf, die nationalen Sozialsysteme nicht angegriffen werden dürfen und öffentliche Dienstleistungen nicht privatisiert werden müssen.
Zudem sollte die Erklärung nun „Instrument“ heißen und dadurch rechtlich aufgewertet werden. Magnette hatte die Vorschläge am späten Donnerstagabend aber als unzureichend bezeichnet.
Im Verlaufe des Freitags versuchten Belgier und Kanadier in direkten Gesprächen, die Einwände Walloniens auszuräumen. Michel sprach mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau, Magnette mit Handelsministerin Freeland. Magnette beharrt vor allem darauf, dass die Regeln zum Investorenschutz und der Schiedsgerichtsbarkeit für Investoren überarbeitet werden. Hier hatte sich Kanada schon im Frühjahr auf den Kommissionsvorschlag zur Schaffung eines unabhängigen Gerichtshofs eingelassen. Das genügt Magnette aber nicht. Das Parlament Walloniens gab ihm dafür am Freitag mehrheitlich Rückendeckung. Die Abgeordneten von Sozialisten, Christdemokraten, Grünen und Linken forderten ihn auf, sich nicht unter Zeitdruck setzen zu lassen.
Magnette erklärte am Freitag, es sei „ein wenig mehr Zeit“ nötig, um eine Einigung zu erreichen. Er bedaure, dass die Gespräche ergebnislos endeten. Demokratische Entscheidungsprozesse bräuchten aber nun mal ihre Zeit.