Günther Oettinger im Interview : „Wir wollen die Fußball-EM zum Testfall machen“
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Günther Oettinger Bild: Helmut Fricke
Im Jahr 2020 wird die Fußball-Europameisterschaft erstmals in mehreren Ländern ausgetragen. EU-Digitalkommissar Oettinger erklärt im F.A.Z.-Interview, welche neue Technik bis dahin etabliert sein soll.
Das Internet der Dinge wird die Wirtschaft revolutionieren. Auf der Computermesse Cebit, die in der kommenden Woche in Hannover stattfinden wird, spielt die digitale Vernetzung der Produktion, Stichwort Industrie 4.0, eine zentrale Rolle. Möglich werde alles das allerdings nur, wenn die EU die nötigen Kapazitäten für die Datenübertragung schaffe, sagt der zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger, der die Cebit am kommenden Montag eröffnen wird.
Die Verwirklichung des digitalen Binnenmarkts, nicht zuletzt eine moderne europäische Telekom-Politik sei die Voraussetzung für die Industrie 4.0, sagte Oettinger im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Ich will einen Schritt in Richtung Harmonisierung, mindestens aber eine verstärkte Koordinierung der Spektrumspolitik in der Europäischen Union.“
Die Mitgliedstaaten sollen dafür die Versteigerung von Mobilfunklizenzen abstimmen. Zudem will Oettinger die nationalen Regulierungsbehörden enger an die Kommission binden. Im frühen Sommer will der deutsche Kommissar konkrete Vorschläge vorlegen. „Den Anfang haben wir im Dezember mit dem Vorschlag gemacht, die bisher von Hörfunk und Fernsehen genutzten 700 Megahertzbänder freizugeben“, sagte Oettinger.
Das Herzstück der europäischen Spektrumspolitik aber werde der Aufbau des europäischen 5G-Netzes sein. Das 5G-Netz soll den mobilen Austausch von Daten in Millisekunden ermöglichen und dabei das heutige 4G-LTE-Netz nochmals deutlich übertreffen. Dabei geht es weniger um den Austausch von Daten zwischen privaten Handynutzern als um den von Daten zwischen Maschinen. Das solle digitale Angebote im Gesundheitswesen, auch über Handy oder Tabletcomputer (M-Health), ermöglichen, sagte Oettinger. Es gehe aber ebenso um extrem schnelle Diagnosen von Problemen in Produktionsprozessen, um Ausfälle zu vermeiden.
Die Einführung von 5G müsse international eng koordiniert werden, sagte Oettinger. Deshalb habe die EU eine enge Kooperation mit China und Korea vereinbart und arbeite an Abkommen mit Japan und Brasilien. Bis zum Jahr 2020 soll 5G in der EU eingeführt sein. „Wir wollen die Fußball-Europameisterschaft in jenem Jahr zum Testfall machen“, sagte Oettinger. „Die findet in 13 Ländern statt, da soll niemand irgendwelche Einschränkungen bemerken.“ 5G werde dabei nicht an die Stelle der bestehenden Netze treten. „4G LTE wird weiterhin eine Rolle spielen.“ Die verschiedenen Standards müssten aber gut abgestimmt werden – auch über die Grenzen hinweg. Es dürfe keine Funklöcher mehr in den Grenzregionen zwischen den EU-Staaten geben oder umgekehrt kilometerweite Überlappungen von Netzen.
Zu langsame Standards für den digitalen Sektor
Um das sicherzustellen, will Oettinger das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) stärken, das mit Vertretern der nationalen Regulierungsbehörden aller EU-Staaten besetzt ist. „Ohne dass daraus gleich eine europäische Super-Regulierungsbehörde werden muss“, sagte er. Eben das hatten die nationalen Regulierer in der Vergangenheit strikt abgelehnt.
Kritik übte der Kommissar an der Geschwindigkeit, mit der die nötigen Standards für die Industrie 4.0 festgelegt werden: „Die klassische Standardsetzung ist für den digitalen Sektor viel zu langsam.“ Die Kommission wolle hier klare Prioritäten setzen und der Umsetzung des Internets der Dinge Vorrang verschaffen. Er werde nach Ostern, also noch vor der Industriemesse in Hannover konkrete Vorschläge vorlegen. „Unser Ziel muss es sein, in jedem Mitgliedstaat eine Art Industrie-4.0-Plattform zu schaffen, die wir dann zu einem europäischen Netzwerk zusammenführen können“, sagte Oettinger.