Bundesverfassungsgericht : Containern ist strafbar
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Protest bei Einreichung der Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe im vergangenen Herbst. Bild: dpa
Wer weggeworfene Lebensmittel aus Supermarkt-Containern „rettet“, kann als Dieb verurteilt werden. Der Staat darf das Eigentum auch an wertlosen Sachen strafrechtlich schützen, argumentieren die Verfassungsrichter.
Menschen, die beim „Containern“ von Lebensmitteln erwischt werden, müssen mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Diebstahls rechnen. Zwei Studentinnen aus Oberbayern sind mit ihren Verfassungsbeschwerden dagegen gescheitert. Der Gesetzgeber dürfe grundsätzlich auch das Eigentum an wirtschaftlich wertlosen Sachen strafrechtlich schützen, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Dienstag mit. (Az. 2 BvR 1985/19 u.a.)
Die jungen Frauen hatten nachts in Olching bei München Obst, Gemüse und Joghurt aus dem Müll eines Supermarktes gefischt. Mit dem Containern wollen sie dagegen protestieren, dass Geschäfte massenweise Lebensmittel wegwerfen, obwohl diese noch genießbar wären. Weil der Container verschlossen zur Abholung bereitstand, werteten die Gerichte das als Diebstahl und verurteilten die Frauen zu Sozialstunden. Außerdem bekamen sie eine Geldstrafe auf Bewährung.
Zuvor hatte schon das Bayerische Oberste Landesgericht Revisionen der beiden Beschwerdeführerinnen gegen das Strafurteil als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Wertlosigkeit einer Sache berechtige Dritte nicht zur Wegnahme. Aus dem Umstand, dass die Lebensmittel zur Entsorgung in einen Abfallcontainer geworfen worden seien, folge nicht zwingend, dass dem Eigentümer das weitere Schicksal der Sache gleichgültig sei, hieß es seinerzeit. Die Aufgabe des Eigentums komme vielmehr nur dann in Betracht, wenn der Wille vorherrsche, sich der Sache ungezielt zu entäußern.
Verfassungsrichter erkennen Eigentum an
Die Begründung des Bundesverfassungsgericht, das beide Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung annahm, liest sich ähnlich. Das Verschließen der Container habe eine Reaktion auf die vorherige, unbefugte Entnahme von Abfällen durch Dritte dargestellt. Deswegen sei auf den Willen des Supermarktbetreibers zu schließen, dass es weiterhin Eigentümer der Abfälle habe bleiben wollen. Im vorliegenden Fall diene die Strafbarkeit beim Containern dem Schutz des Eigentumsgrundrechts nach Artikel 14 Absatz 1 Grundgesetz.
Der Eigentümer der Lebensmittel wollte diese bewusst einer Vernichtung durch den Abfallentsorger zuführen, um etwaige Haftungsrisiken beim Verzehr der teils abgelaufenen und möglicherweise auch verdorbenen Ware auszuschließen, erklärte die zuständige Kammer des Zweiten Senats. Demnach müsse grundsätzlich akzeptiert werden, dass der Eigentümers ein Interesse daran habe, etwaige rechtliche Streitigkeiten und Prozessrisiken auszuschließen und sich keinen erhöhten Sorgfaltspflichten im Hinblick auf die Sicherheit der Lebensmittel auszusetzen.
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) reagierte enttäuscht auf den Beschluss. Der Verein hatte die beiden Studentinnen in dem Verfahren unterstützt. „Die Entscheidung zeigt, dass die Politik endlich tätig werden muss. Es widerspricht dem erklärten Ziel der Bundesregierung, Lebensmittelverschwendung zu stoppen, dass Menschen bestraft werden, die genießbare Nahrung vor der Entsorgung bewahren“, sagte Boris Burghardt, Vorstandsmitglied der GFF. Mit den Verfassungsbeschwerden wollte der Verein eine verfassungskonforme Auslegung des Diebstahlparagraphen im Strafgesetzbuch erreichen: das Containern sollte keine Straftat sein.
Laut früheren Angaben werden in Deutschland jedes Jahr werden mehr als 18 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet. Im März 2019 hatte sich die Bundesregierung darauf verständigt, die Verschwendung bis zum Jahr 2030 um mindestens 50 Prozent einzudämmen. In vielen Städten gibt es mittlerweile „Foodsharing“-Kampagnen, die gezielt mit Supermärkten oder Bäckereien zusammenarbeiten. Damit kann das „Containern“ verhindert werden.