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Klage abgewiesen : Bundesfinanzhof hält Solidaritätszuschlag für rechtmäßig

  • Aktualisiert am

Der Bundesfinanzhof beschäftigt sich mit Steuerfragen und auch mit der Rolle des Soli. Bild: Picture Alliance

Ist der Solidaritätszuschlag verfassungswidrig? Darauf hatte ein Ehepaar geklagt. Doch der Bundesfinanzhof wies die Klage nun zurück.

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          Der Bundesfinanzhof (BFH) hält den Solidaritätszuschlag in der seit 2020 geltenden Form nicht für verfassungswidrig. Das urteilte das höchste deutsche Steuergericht am Montag in München. Im Gegensatz zu den Klägern befanden es die Finanzrichter für unerheblich, ob die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost genutzt werden oder nicht. Dies liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.

          Der Zuschlag zur Einkommensteuer sei noch vom Grundgesetz gedeckt, urteilte das höchste deutsche Steuergericht. Bloße Zweifel daran reichten nicht aus, um den „Soli“ dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, sagte der Vorsitzende Richter und Präsident des BFH, Hans-Josef Thesling. Es sei unerheblich, ob die Ergänzungsabgabe zweckgebunden für den Aufbau Ost verwendet werde. Der Soli sei damit vom Auslaufen des Solidarpakts unabhängig. Zudem bestehe nach wie vor ein Mehraufwand für den Staat aufgrund der Wiedervereinigung.

          Die Einnahmen des Bundes aus dem Soli beliefen sich laut Bundesfinanzhof auf zuletzt noch 11 Milliarden Euro. Falls die Abgabe eines Tages für verfassungswidrig erklärt werden sollte, wäre eine Frage, ob der Bund seine Soli-Einnahmen zurückzahlen muss.

          Ein Ehepaar hatte geklagt

          Geklagt hat ein älteres Ehepaar aus Aschaffenburg. Es wollte mit Unterstützung des Bundes der Steuerzahler den „Soli“ zu Fall bringen. Sie beriefen sich auf auf zwei Punkte: Der Solidaritätszuschlag sollte die Lasten der deutschen Einheit finanzieren, doch dieser Zweck ist seit 2019 entfallen. Damals lief der Solidarpakt II aus, eine Sonderfinanzierung der ostdeutschen Länder gibt es seither nicht mehr.

          Darüber hinaus warfen die Kläger und ihre Anwälte dem Bund einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vor, weil nur noch eine kleine Minderheit der Steuerzahler die Abgabe zahlen muss, die große Mehrheit jedoch nicht.

          Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätsausgleichs aus dem Jahr 2019 hatte die damalige große Koalition beschlossen, dass nur noch Besserverdiener - die oberen zehn Prozent der Einkommen - den Zuschlag zahlen müssen. Die übrigen neunzig Prozent der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sollen ausgenommen bleiben. Nach Angabe des Anwalts der Kläger zahlen noch etwa 2,5 Millionen Menschen den Soli.

          Steuerzahler-Präsident Reiner Holznagel erklärte zuvor, das Verfahren sei eine wichtige Etappe. Zumindest stillschweigend wurde die Klage von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) unterstützt, der den Soli ohnehin abschaffen will. Das Ministerium war dem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof ursprünglich beigetreten. Das ist in Fällen üblich, in denen das Ministerium eine Klage zurückweist. Lindner hatte das jedoch rückgängig gemacht, das Finanzministerium ist an dem Soli-Verfahren nicht mehr beteiligt.

          Der Kläger nannte die Entscheidung enttäuschend. „Vor Gericht und auf hoher See sind Sie in Gottes Hand“, zitierte er nach dem Urteil eine alte Juristenweisheit. Ob die klagenden Eheleute Verfassungsbeschwerde einlegen wollen, ist nach seinen Worten noch nicht besprochen. Davon unabhängig hatten FDP-Bundestagsabgeordnete schon 2020 Verfassungsbeschwerde eingereicht.

          Die Ampel-Koalition ist uneins. Die FDP befürwortet die Abschaffung des Soli, die Grünen sind dagegen. „Es wäre absurd gewesen, die reichsten zehn Prozent des Landes zu entlasten, während viele Menschen kaum noch wissen, wie sie am Ende des Monats ihre Rechnungen bezahlen sollen“, kommentierte der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Andreas Audretsch.

          Das von FDP-Chef Christian Lindner geleitete Bundesfinanzministerium setzt auch nach dem Urteil auf Karlsruhe. „Die Bundesregierung hat ein Interesse an einer verfassungsgerichtlichen Klärung“, hieß es in Ministeriumskreisen. In der Opposition gehen CDU und CSU davon aus, dass der Soli keine Ewigsteuer werden darf. Die Verfassungsmäßigkeit bleibe davon abhängig, dass der Bund besonderen Finanzbedarf für die Herstellung der Einheit nachweise, sagte Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg. „Insofern ist absehbar, dass die Berechtigung des Soli auslaufen wird.“

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