F.A.Z. exklusiv : Bund zahlt für Atomausstieg 2,4 Milliarden Euro an Energieversorger
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Finanzminister Olaf Scholz (SPD) muss wegen der Milliardenzahlung einen Nachtragshaushalt erarbeiten. Bild: Reuters
Kurz vor dem zehnten Jahrestag von Fukushima lässt Deutschland den Ausstieg aus der Kernkraft auch finanziell hinter sich. Damit wird ein Nachtragshaushalt fällig.
Der beschleunigte Atomausstieg schlägt mit zehn Jahren Verzögerung auf den Bundeshaushalt durch. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) muss den Energieversorgern in Deutschland 2,4 Milliarden Euro zum Ausgleich für entgangene Restlaufzeiten und Gewinne zahlen, wie die Ministerien für Umwelt, Finanzen und Wirtschaft am Freitag mitteilten.
Die F.A.Z. hatte von der Einigung schon am Donnerstag aus Regierungskreisen erfahren und darüber berichtet. Die Überweisung vergrößert das Defizit im Bundeshaushalt. Obwohl Scholz eine Nettokreditaufnahme von fast 180 Milliarden Euro eingeplant hat, kommt er damit nicht mehr hin. Der Minister bereitet schon einen Nachtragshaushalt für dieses Jahr vor.
Nach den nun offiziell verkündeten Zahlen soll Vattenfall mit 1,4 Milliarden Euro den größten Teil der Entschädigung erhalten. 880 Millionen Euro sind für RWE vorgesehen, 80 Millionen Euro für EnBW, und 42,5 Millionen Euro würden an Eon/PreussenElektra gehen.
Mit der Zahlung soll die finanzielle Benachteiligung ausgeglichen werden, die den Energieversorgern für den beschleunigten Ausstieg aus der Atomkraft entstanden ist. Damit kommt die Bundesrepublik einer Verpflichtung nach, die ihr das Bundesverfassungsgericht schon vor mehr als vier Jahren auferlegt hat. Erst im November hatten die Karlsruher Verfassungsrichter eine solche Entschädigung noch einmal angemahnt.
Den Ministerien zufolge sind mit der Einigung alle bestehenden Rechtsstreitigkeiten beigelegt – auch die Klage von Vattenfall vor dem internationalen Schiedsgericht der Weltbank (ICSID), mit der der Konzern ursprünglich sechs Milliarden Euro Entschädigung erwirken wollte.
Mit der Zahlung könnte deshalb kurz vor dem zehnten Jahrestag des Reaktorunfalls im japanischen Fukushima am 11. März das rechtlich schwierige Kapitel des Atomausstiegs abgeschlossen sein. Allerdings müssen die Konzerne der Vereinbarung noch zustimmen. Danach sollen die Eckpunkte in einem Vertrag verankert und dem Bundestag übermittelt werden. Die endgültige Regelung soll dann mit einem neuen Gesetz in Kraft treten.
Kern der Rechtsstreitigkeiten sind die finanziellen Folgen einer Entscheidung der im Jahr 2011 regierenden schwarz-gelben Koalition. Nach den verheerenden Schäden am japanischen Atomkraftwerk entschloss sie sich, die kurz zuvor von ihr selbst durchgesetzte Verlängerung der Restlaufzeit von Atomkraftwerken zurückzunehmen.
Die acht ältesten Meiler sowie Vattenfalls Kernkraftwerk Krümmel wurden schon wenige Tage nach dem Super-Gau in Japan endgültig vom Netz genommen. Die restlichen Anlagen werden schrittweise bis Ende nächsten Jahres stillgelegt.