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Konzept zur Krisenversorgung : Deutsche, kauft mehr Dosengemüse

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Getreide für den Notfall in Brandenburg: Über 800.000 Tonnen Lebensmittel liegen in solchen Lagerstätten überall in Deutschland. Bild: Matthias Lüdecke

Der Bund erarbeitet ein neues Konzept zur Krisenversorgung der Bevölkerung. Die Bürger sollen dabei zu vermehrter Vorratshaltung motiviert werden. Auch die Bundesregierung hat vorgesorgt – mit 150 geheimen Lagern.

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          Die Bundesregierung rät allen Bürgern dazu, für den Krisenfall „stets einen Nahrungsmittelvorrat für einen Zeitraum von 14 Tagen im Haus zu haben“. Das wäre „äußerst ratsam“, ist auf den Seiten des Bundesernährungsministeriums zu lesen. Während das Innenministerium derzeit seine „Konzeption zivile Verteidigung“ überarbeiten lässt, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete, reformiert auch das Ernährungsministerium die Lebensmittel-Versorgung im Notfall. Dadurch solle die Ernährungsnotfallversorgung „an die heutigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und Gefahrenlagen angepasst werden“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit.

          Die Bürger zu vermehrter Vorratshaltung zu motivieren ist eine wichtige Säule. Denn tatsächlich ist Vorratshaltung in Kellerräumen oder Schränken außer Mode geraten: Supermärkte haben bis Mitternacht geöffnet, und manche Luxus-Singlewohnungen in den Metropolen, wo der Wohnraum knapp ist, werden nur noch mit winzigen Küchenzeilen, ohne Kühlschrank oder ganz ohne Küche ausgestattet, um Platz zu sparen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hält die „Just-in-time“-Versorgung aus Supermarkt und Restaurants für keine gute Idee. Eben so wenig das Ernährungsministerium: Das rät den Bürgern nachdrücklich, je Person stets Vorräte für 14 Tage bereitzuhalten. Das wären rund 5 Kilo Brot, Nudeln und Kartoffeln, 5,5 Kilo Dosengemüse, 3,5 Kilo Trocken- und Dosenobst, 28 Liter Wasser sowie 2 Kilo Dosenfisch und -fleisch.

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          Mit einer womöglich wachsenden Bedrohung durch den Terrorismus wollen die Ministerien es nicht im Zusammenhang sehen, dass sie erstmals seit Ende des Kalten Krieges beziehungsweise im Falle der Notfallversorgung seit der Nachkriegszeit wieder den Blick auf mögliche Katastrophen und Krisen lenken. Schon lange lagern an Dutzenden Orten in ganz Deutschland Erbsen, Linsen, Getreide und Kondensmilch zu Tausenden Tonnen. Vor wenigen Jahren zeigte das Ernährungsministerium Journalisten ein solches geheimes Nahrungslager in Brandenburg. Zu sehen waren fast 14.000 Säcke voller Linsen und noch mehr voller Erbsen.

          Niemand durfte die Adresse erfahren oder erwähnen – würde sie bekannt werden, würde das Lager im Krisen- oder Kriegsfall vermutlich schnell von Plünderern umlagert werden. Dabei sind die Vorräte dafür bestimmt, die Stadtbevölkerung zu versorgen. Es gibt eine sogenannte zivile Notfallreserve mit Reis, Erbsen, Linsen und Kondensmilch und eine „Bundesreserve Getreide“ mit Weizen, Roggen und Hafer. Bis heute sind es rund 150 Lager in Deutschland. Daran liegen 800.000 Tonnen Lebensmittel. Bevor sie verderben, werden ältere Tonnagen verkauft; sind die Getreidepreise hoch, macht der Bund mit seiner Lagerhaltung sogar manchmal kleine Gewinne.

          Trotzdem gab es Stimmen, die Lagerhaltung solle stark verringert werden. Der Bundesrechnungshof hatte vor vier Jahren angesichts der Kosten von rund 20 Millionen Euro jährlich für Lagermieten, Kontrollen, Schädlingsbekämpfung oder Zinsen das Modell als „überholt“ kritisiert. Trotzdem wurde seither die Anzahl der Lagerstätten und eingelagerten Mengen nicht verringert. Ob dies nun geschehen soll, war nicht zu erfahren. Der Gesetzentwurf zur Neuregelung des Notfallvorsorgerechts solle „in Kürze“ zwischen den Ministerien abgestimmt und dann veröffentlicht werden, hieß es in Berlin. Auch „die staatliche Bevorratung“ solle einer „grundlegenden Überprüfung unterzogen werden“, teilte ein Sprecher des Agrarministeriums mit.

          Genutzt wurden die geheimen Lagervorräte bisher nie. Jedenfalls nicht für die eigene Bevölkerung. Nur einmal entnahm die Bundeswehr ein paar hundert Säcke Getreide, zu Zeiten des Kosovo-Kriegs. Ein möglicher Kriegsfall war auch nie der Hauptgrund für die Notfallreserve, sondern befürchtete Flut- oder Reaktorkatastrophen. Das Anfang der zweitausender Jahre gegründete Bundesamt für Bevölkerungsschutz nennt auch einen Zusammenbruch der Stromversorgung als Grund, warum die Haushalte Vorräte halten sollten. Das Bayerische Landesamt für Landwirtschaft führt einen weiteren Grund an: „Vorräte sind hilfreich bei unerwarteten Gästebesuchen.“

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