Britischer Unterhändler Frost : Wie „Frosty“ das Eis in Brüssel brechen soll
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David Frost Bild: EPA
In nur elf Monaten soll es David Frost gelingen, ein Freihandelsabkommen mit der EU zu schließen. Das halten viele in Brüssel für unmöglich – Johnson dagegen ist zuversichtlich.
Es ist wohl der schwierigste Posten, den die Regierung in Downing Street zu bieten hat: Nach dem EU-Austritt soll in nur elf Monaten ein Freihandelsabkommen mit der EU geschlossen werden, hofft die Regierung von Boris Johnson. Der 54 Jahre alte Karrierebeamte David Frost soll dieses Meisterstück liefern. Johnson hat ihn zum Leiter der „Taskforce Europe“ berufen; Frost führt ein Team von 30 bis 40 Leuten, darunter Juristen und Handelsexperten, in der Downing Street. Bei ihm laufen alle Fäden für die Verhandlungen zusammen.
Mit dem Brexit hat eine Übergangsfrist begonnen, nach derzeitigem Stand bis Ende 2020, in der sich für den Handel und die Wirtschaft noch keine Regeln ändern. Danach aber droht eine Klippe. Können sich die EU und London nicht auf ein Abkommen einigen, würden Zollmauern hochgezogen. Frost, den sie in Johnsons Team „Frosty“ nennen, soll die eisige Front der Zweifler in Brüssel durchbrechen, die es für quasi ausgeschlossen halten, in nur elf Monaten ein umfassendes Freihandelsabkommen zu schließen und weitere Aspekte der künftigen Post-Brexit-Beziehungen zu klären. Es sei „praktisch unmöglich“, meinte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Handelsfachleute der Kommission verweisen auf frühere langwierige Verhandlungen, etwa für das mehr als 1500 Seiten dicke Abkommen mit Kanada namens Ceta. Es zog sich über sieben Jahre hin.
Aus Sicht von Boris Johnson ist die Zeitnot nicht schlecht, sondern ein hilfreicher Beschleuniger. Und unmöglich sei eben doch nichts in der EU. Im Sommer hatte es in Brüssel geheißen, es sei unmöglich, den Austrittsdeal noch mal aufzuschnüren. Das Austrittsabkommen, das Johnsons Vorgängerin Theresa May geschlossen hatte, das aber im Parlament dreimal gescheitert war, könne nicht mehr substantiell verändert werden. Johnson und seinem Chefunterhändler Frost gelang aber genau das.
Akademische Laufbahn
Frost soll nun abermals ein Kunststück vollbringen, in kürzestmöglicher Zeit den Handelsvertrag unter Dach und Fach zu bringen. In London heißt es, Johnson vertraue ihm zu 100 Prozent. Frost diente Johnson schon früher als Sonderberater und hat sich den Respekt seines Chefs verdient. Anders als Mays Unterhändler ist er ein Brexit-Befürworter, der den EU-Austritt als Chance für das Land sieht. Aber er gilt auch als Pragmatiker, ist kein Hardcore-Brexiteer, der auch einen No-Deal-Austritt hinnehmen würde.
In Brüssel kennt man ihn gut. Positiv wird gesehen, dass er ein enger Vertrauter von Johnson ist. „Das könnte in der zweiten Phase der Verhandlungen hilfreich sein“, sagt ein EU-Diplomat. Aber es gibt auch Skepsis. „Bisher hat Frost kein eigenes Profil gezeigt, ob er mehr ist als eine Sprechpuppe Johnsons, das muss sich erst zeigen“, sagt ein anderer Diplomat. Ein Thinktank-Direktor, der häufiger mit Frost zusammengearbeitet hat, bezeichnet ihn als überzeugten Freihändler und liberalen Marktwirtschaftler. „Er ist einer, der pragmatisch Lösungen sucht“, sagt er.