Branchen und Märkte (157): Tabakindustrie : In die Zange genommen
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Wenn es nach Bill Gates und Michael Bloomberg geht, wird der Tabakindustrie bald überall auf der Welt das Leben schwer gemacht. Der Mitgründer des Softwarekonzerns Microsoft hat sich vor ein paar Wochen mit dem Bürgermeister von New York und Inhaber des Finanzinformationsdienstes Bloomberg für eine öffentlichkeitswirksame Initiative zur Bekämpfung des Rauchens zusammengetan. Auf einer Pressekonferenz in New York kündigten die beiden Multimilliardäre an, über ihre wohltätigen Stiftungen in den nächsten fünf Jahren 500 Millionen Dollar in Programme zu stecken, die den Tabakkonsum eindämmen sollen.
Die Aktion konzentriert sich auf Entwicklungsländer und aufstrebende Nationen wie China und Indien. Damit nehmen Gates und Bloomberg die wachstumsstärksten Regionen für die Tabakindustrie ins Visier. Denn während in der westlichen Industriewelt immer weniger geraucht wird, ist der Zigarettenkonsum in Ländern wie China oder Indien ungebrochen hoch.
Widriges Umfeld für die Tabakindustrie
Der Vorstoß von Gates und Bloomberg hat unterstrichen, wie stark der Tabakindustrie der Wind ins Gesicht bläst. Die schlechten Nachrichten für die Branche wollen kein Ende nehmen: Ein Land nach dem anderen führt strikte Rauchverbote ein, gleichzeitig drücken immer höhere Tabaksteuern den Zigarettenkonsum. Die Europäische Kommission hat erst vor wenigen Wochen angekündigt, die Mindestbesteuerung in der EU anzuheben. In New York sind im Juni die Steuern so drastisch in die Höhe geschnellt, dass eine Schachtel Zigaretten fast 10 Dollar kostet.
So widrig das Umfeld aber auch sein mag: Die Tabakindustrie ist noch immer in erstaunlich robuster Verfassung. "Wir halten die Ansicht für übertrieben, dass es sich um eine schrumpfende Branche handelt", schreibt Analyst Adam Spielman von der Citigroup in einer Studie. Selbst in Ländern wie den Vereinigten Staaten, wo der Anteil von Rauchern an der Bevölkerung kontinuierlich zurückgeht und es seit Jahren umfassende Rauchverbote gibt, ist zumindest noch leichtes Umsatzwachstum möglich, und die Gewinne sind astronomisch hoch. Das unterstreicht der Marlboro-Hersteller Altria, der in diesem Jahr sein Auslandsgeschäft in die separate Gesellschaft Philip Morris International abgespalten hat und sich seither auf den amerikanischen Markt konzentriert. Zwar hat Altria im zweiten Quartal 4,5 Prozent weniger Zigaretten verkauft als im Vorjahr. Trotzdem hat das Unternehmen den Umsatz um 4 Prozent auf 5,1 Milliarden Dollar ausgebaut und dabei einen Nettogewinn von 930 Millionen Dollar ausgewiesen, was einer stattlichen Rendite von 18 Prozent entspricht.
Höhere Preise als Ausgleich für geringere Stückzahlen
Das Umsatzwachstum geht auf Preiserhöhungen zurück, mit denen die schrumpfenden Mengen mehr als wettgemacht werden konnten. Denn so sehr Raucher auch über die ständig steigenden Zigarettenpreise jammern mögen: Als Produkt mit Suchtwirkung ist Tabak weniger preissensibel als die meisten anderen Konsumgüter. Dementsprechend gelingt es den Herstellern, deutliche Preiserhöhungen durchzusetzen. "Die Erfahrung lehrt: Die Preise steigen schneller als die Stückzahlen fallen", meint Analyst Spielman. Das sei in vielen westlichen Ländern zu beobachten.
So sind die Zigarettenpreise (ohne Steuern) in Großbritannien in den vergangenen vier Jahren im Schnitt um fast 6 Prozent gestiegen, während die Verkaufsmengen um 4 Prozent schrumpften. Das heißt insgesamt haben die Tabakhersteller ein Umsatzwachstum erzielt. Spielman hält das Beispiel Großbritannien mit Blick auf die vergleichsweise geringe Preissensibilität von Rauchern für besonders aussagekräftig. Denn dort sind Zigaretten mit umgerechnet rund 7,25Euro je Schachtel mit am teuersten auf der Welt. Nach seiner Meinung könnte die Tabakindustrie also auch in anderen Ländern bei den Preisen noch viel Luft nach oben haben.