Fehler in Börsenprospekt : 17.000 Telekom-Aktionäre dürfen hoffen
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Als die T-Aktie geboren wurde: der damalige Telekom-Chef Ron Sommer im November 1996 Bild: AP
Im Prozess um den dritten Börsengang der Deutschen Telekom im Jahr 2000 hat der Bundesgerichtshof einen schwerwiegenden Fehler im Verkaufsprospekt entdeckt. Der Prozess muss neu aufgerollt werden.
Im größten Anlegerschutzprozess Deutschlands haben die Kläger vor dem Bundesgerichtshof einen Teilerfolg gegen die Telekom erzielt. Der Bundesgerichtshof hat ihnen am Donnerstag teilweise recht gegeben. Damit kippten die obersten Zivilrichter die Abweisung der Massenklage durch das Oberlandesgericht Frankfurt in einem zentralen Punkt, wie sie selbst verlauten ließen. Der Prozess, der seit 12 Jahren läuft, muss damit neu aufgerollt werden
Insgesamt rund 17.000 Kläger werfen der Telekom vor, sie in die Irre geführt zu haben. Sinkende Aktienkurse hatten ihnen zum Teil hohe Verluste eingebrockt. Sie forderten insgesamt 80 Millionen Euro Schadenersatz - Geld, das sie vor über zehn Jahren mit der einstigen „Volksaktie“ verloren hatten. In dem Verfahren wurde exemplarisch der Fall eines schwäbischen Pensionärs geklärt, der 1,2 Millionen Euro forderte.
Im Verkaufsprospekt machen Unternehmen für potenzielle Anleger Angaben zu ihren Geschäften im Rahmen eines geplanten Börsengangs. Die Richter störten sich an dem bilanztechnischen Umgang des Konzerns mit dem amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Sprint Corporation, für das ein Buchgewinn von 8,2 Milliarden Euro ausgewiesen worden war.
Tatsächlich wurde es nur in eine kaum bekannte Beteiligungsgesellschaft „umgehängt“. Aus den von der Telekom veröffentlichten Informationen habe selbst ein bilanzkundiger Anleger die tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse im Jahr 1999 und die sich daraus ergebenden Risiken nicht ableiten können, so das Gericht.
Die ebenfalls umstrittene Bewertung der Telekom-Immobilien zur Bilanzeröffnung bewerteten die Karlsruher Richter aber als rechtens. Dieser Punkt kann nicht mehr angegriffen werden.
Der Prozess in Zahlen
Der Prozess um den dritten Börsengang der Deutschen Telekom AG aus dem Juni 2000 ist eines der größten Wirtschaftsverfahren in der deutschen Rechtsgeschichte. Kleinanleger haben das Unternehmen auf Schadenersatz verklagt, weil sie sich vom Börsenprospekt getäuscht sehen. Wichtige Fakten und Zahlen:
- Die Telekom hatte nach eigenen Angaben zum Prozessauftakt beim OLG Frankfurt 2770 Klagen von zusammen 17.031 Klägern erhalten. Der Streitwert lag 2008 bei 91,5 Millionen Euro.
- Davon haben 933 Kläger ihre Klagen im Streitwert von 12,7 Millionen Euro zurückgenommen.
- Zu Prozessbeginn standen hinter der Musterklage 16.098 Kläger in 2603 Verfahren mit einem Gesamtstreitwert von 78,9 Millionen Euro. Sie werden von rund 800 Anwaltskanzleien vertreten. Den Musterkläger vertrat die Tübinger Kanzlei Tilp. Es handelt sich um einen Pensionär aus Schwaben, der rund 1,2 Millionen Euro verloren hat.
- Dazu kamen noch Fälle, die sich aus Güteanträgen entwickelten, die Anleger bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA) der Hansestadt Hamburg eingereicht hatten, um der Verjährung zuvorzukommen.
- In der Masse der Fälle geht es um Summen von rund 3500 Euro, einzelne Anleger haben aber auch mehr als 60.000 Euro verloren.
- Das zunächst zuständige Landgericht Frankfurt hatte über zehn ausgewählte Musterklagen verhandelt, bevor es die Sache nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) in die Hände des OLG Frankfurt legte. Der 23. Senat fällte seine Entscheidung zuungunsten der Kläger am 18. Verhandlungstag am 16. Mai 2012. (dpa)