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Bildung : Warum Studiengebühren?

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Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern bekommen oft bereits während der Kindheit nicht jene Fähigkeiten vermittelt, die ihnen einen späteren Bildungserfolg erleichtern

Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern bekommen oft bereits während der Kindheit nicht jene Fähigkeiten vermittelt, die ihnen einen späteren Bildungserfolg erleichtern Bild: AP

Studiengebühren sind hierzulande verpönt. Doch aus sozialer Sicht spricht wenig dagegen. Gebühren schaffen Anreize für ein verantwortliches Studium - und dem Staat bleibt mehr Geld für die frühkindliche Bildung. Ein Beitrag der Finanzwissenschaftler Wolfram F. Richter und Berthold U. Wigger.

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          Nachdem das Bundesverfassungsgericht im Januar 2005 das drei Jahre zuvor in das Hochschulrahmengesetz aufgenommene allgemeine Studiengebührenverbot für nichtig erklärt hatte, schien das Ende des gebührenfreien Studierens in Deutschland nahe zu sein. Tatsächlich führten die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland schon kurze Zeit nach dem höchstrichterlichen Urteil Studiengebühren für das Erststudium ein, und es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis ihnen auch die anderen Länder folgen würden. Diese Erwartung hat sich nicht bestätigt. Kein weiteres Land hat bisher Gebühren für ein Erststudium eingeführt. Vielmehr haben - jeweils nach Landtagswahlen - Hessen und das Saarland die Studiengebühren wieder abgeschafft, Hamburg hat sie deutlich reduziert. In Nordrhein-Westfalen steht die Abschaffung als Ergebnis der Landtagswahl vom 9. Mai als realistische Option im Raum.

          Der gesellschaftlich weit verbreitete Widerstand gegen Studiengebühren rührt im Wesentlichen daher, dass ihnen eine sozialselektive Wirkung zugeschrieben wird. Besonders Angehörige einkommensschwächerer Bevölkerungsschichten, so die häufig geäußerte Befürchtung, würden durch Studiengebühren von einem Hochschulstudium abgehalten. Das hemme die soziale Mobilität und widerspreche dem Ziel der Chancengerechtigkeit. Beeinträchtigten Studiengebühren die Chancengerechtigkeit, läge damit in der Tat ein starkes Argument gegen ihre Einführung vor. Sie wären dann gerade in einem Land schwer zu rechtfertigen, in dem es schon aus anderen Gründen um die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem nicht gut bestellt zu sein scheint. Tatsächlich liefern internationale Vergleichsstudien Hinweise darauf, dass in Deutschland mehr als in vielen anderen Ländern die soziale Herkunft über den Bildungserfolg entscheidet, und das auch schon zu den Zeiten, als der Hochschulzugang deutschlandweit noch gebührenfrei war. Die sozialpolitisch zentrale Frage lautet deshalb, ob Studiengebühren die ohnehin vorliegende soziale Selektion in der Hochschulbildung noch verstärken.

          Studiengebühren scheinen Einkommensschwächere nicht vom Studium abzuhalten

          Für Deutschland ist diese Frage nicht leicht zu beantworten. Erst seit 2007 werden in einigen Bundesländern Studiengebühren erhoben, und die seitherige Entwicklung erlaubt kaum zuverlässige Schlüsse. Um die Auswirkungen von Studiengebühren auf die Studienneigung unterschiedlicher sozialer Gruppen abschätzen zu können, muss man daher die Erfahrungen studieren, die außerhalb Deutschlands gemacht wurden. Hier bieten sich die Vereinigten Staaten an. Ähnlich wie in Deutschland lässt sich auch dort eine ausgeprägte soziale Selektion bei den Studierenden beobachten. Im Unterschied zu Deutschland ist für die Vereinigten Staaten aber umfassend empirisch untersucht worden, ob und in welchem Umfang Studiengebühren die Studienneigung gerade der Angehörigen einkommensschwächerer Schichten mindern und zur sozialen Selektion beitragen.

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