Bilanzfälschung : Geschockte Comroad-Aktionäre laufen Sturm
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Comroad auf Abwegen Bild: dpa
Der Schock über den Comroad-Skandal sitzt tief. Aktionäre fordern Schadenersatz, Kritik hagelte es am Wirtschaftsprüfer KPMG.
Nach dem Bilanz-Skandal beim Telematik-Anbieter Comroad wollen viele geschädigte Anleger klagen. „Bei uns stand das Telefon nicht mehr still“, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Die Empörung ist ganz, ganz groß.“
Laut einer Sonderprüfung hatte Comroad wohl fast seinen kompletten Umsatz im Jahr 2001 frei erfunden. Comroad hatte ursprünglich den Umsatz im vergangenen Jahr auf 93,6 Millionen Euro beziffert. Die Buchprüfer Rödl & Partner konnten nun nur 1,4 Millionen Euro belegen. 98 Prozent der angegebenen Erlöse waren mutmaßlich gefälscht.
„Super-Gau für den Neuen Markt“
Comroad-Gründer und Vorstandschef Bodo Schnabel sitzt wegen des Vorwurfs des Kursbetruges seit Ende März in Untersuchungshaft. Auch gegen seine Frau Ingrid, die im Aufsichtsrat sitzt, wird ermittelt. Der Anbieter von Navigationsgeräten und -Dienstleistungen für den Straßenverkehr stand seit Monaten im Verdacht, wichtige Geschäftsbeziehungen in Asien nur vorgetäuscht und einen auf falschen Zahlen beruhenden Jahresabschluss vorgelegt zu haben.
Bei den Aktionärsschützern sitzt der Schock nach den jüngsten Enthüllungen tief. „Da stehen einem die Haare zu Berge“, sagte Bergdolt. Sämtliche Kontrollorgane, vom Aufsichtsrat bis zu den Wirtschaftsprüfern, hätten versagt. „Das ist der Super-Gau.“ Der Neue Markt werde so auf lange Sicht beschädigt. Die Deutsche Börse müsse rasch reagieren.
Schadenersatz für geprellte Aktionäre
„Es handelt sich hier wohl um den dreistesten Betrugsfall am Neuen Markt", sagte Markus Straub von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). Comroad-Chef Schnabel habe bei der Darstellung seines Unternehmens eine Frechheit an den Tag gelegt, die eine „neue Dimension“ erreicht habe. Bislang hatten Firmen wie EM.TV, Metabox, Biodata oder Infomatec wegen angeblich unseriöser Geschäftspraktiken am Neuen Markt für Schlagzeilen gesorgt.
Neben Straub forderte auch Klaus Nieding von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) Schadenersatz für die betroffenen Aktionäre. Im Gegensatz zu etlichen strittigen anderen Fällen könnten die Aktionäre bei Comroad wohl auf die vorsätzliche Verbreitung falscher Tatsachen verweisen, sagte Nieding. Damit sei ein Schutzgesetz verletzt worden, weshalb die Schadenersatzpflicht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) greifen könne. Straub warnt allerdings vor übersteigerten Hoffnungen: „Comroad hat zwar eine neue Qualität, aber man darf bei den Anlegern keine allzu großen Erwartungen erwecken.“
Kritik an KPMG
Auch Peter Guntermann, Fondsmanager bei Sal. Oppenheim, zeigte sich entsetzt von den Enthüllungen. „Ich frage mich, was die Prüfer heutzutage machen. Das Unternehmen ist seit ein paar Jahren an der Börse, es hat Ergebnisse veröffentlicht, die vermutlich ebenfalls falsch sind und die sind alle von den Prüfern testiert werden.“ Die Frage sei allerdings, wie viel von dem Geld aus dem Börsengang überhaupt noch übrig geblieben sei.
Die SdK forderte vom Comroad-Prüfer KPMG „umfassende Aufklärung“, wie das Unternehmen jahrelang Anleger mit Scheingeschäften hinters Licht führen konnte. Nach Ansicht von Straub trägt KPMG eine „nicht unerhebliche Mitverantwortung“ am Betrugsfall Comroad. Die Kontrolleure hätten ihre „uneingeschränkten Testate für die offensichtlich falschen Jahresabschlüsse der Jahre 1999 und 2000 nicht zurückgezogen“. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) warf den Prüfern zumindest Fahrlässigkeit vor. „Bei sorgfältiger Arbeit hätte man das sehen müssen“, sagte eine Sprecherin.
Wirtschaftsprüfer will früher melden
Als eine Möglichkeit, möglichst frühzeitig derartige Skandale aufzudecken, schlägt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG Deutschland vor, schneller die entsprechenden Behörden benachrichtigen zu dürfen. „Mir wäre es lieb, wenn wir die Möglichkeit hätten, das Bundesaufsichtsamt für das Wertpapierwesen zu benachrichtigen“, sagte der Vorstandssprecher Harald Wiedmann. Wirtschaftsprüfer sind gegenüber ihren Mandanten zur Verschwiegenheit verpflichtet, die Kündigung eines Mandats ist daher bislang ihre „schärfste Waffe“. Die KPMG hatte im Februar in einem bislang in Deutschland einmaligen Fall Comroad wegen Betrugsverdachts den Auftrag gekündigt.
Der Comroad-Aktienkurs, der sich bereits am Vortag halbiert hatte, gab am Donnerstag noch einmal um zeitweise mehr als 13 Prozent auf 0,32 Euro nach. Anfang des Jahres hatte die Aktie noch rund zehn Euro gekostet.