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Streit um China-Strategie : Brudermüller-Kritikerin Dubourg verlässt BASF

Saori Dubourg ist Mitglied im Vorstand des Chemiekonzerns BASF und verlässt nun das Unternehmen. Bild: Unternehmen

Sie hätte die erste Frau an der Spitze des Dax-Unternehmens werden können. Doch nun verlässt Saori Dubourg den Chemiekonzern BASF. Sie soll mit der Strategie von Konzernchef Brudermüller nicht einverstanden gewesen sein.

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          Saori Dubourg wird nicht die erste weibliche Vorstandsvorsitzende des Chemiekonzerns BASF. Die 51 Jahre alte Deutsch-Japanerin verlässt das Unternehmen Knall auf Fall schon zum 28. Februar. „Im besten Einvernehmen“, wie der Konzern berichtet.

          Bernd Freytag
          Wirtschaftskorrespondent Rhein-Neckar-Saar mit Sitz in Mainz.

          Der überaus dürre einzeilige Dank für ihre Arbeit in der Pressemitteilung vom Mittwoch spricht allerdings eine andere Sprache. Dubourg galt intern als größte Kritikerin des China-Engagements von Vorstandschef Martin Brudermüller. Der Konzern plant in der südchinesischen Industriemetropole Zhanjiang einen bis zu 10 Milliarden Euro teuren komplett neuen Verbundstandort. Dubourg hält die bis dato größte Einzelinvestition angesichts der wachsenden Spannungen mit China für zu riskant und hat die Kritik – ungewöhnlich für BASF – auch öffentlich durchscheinen lassen.

          BASF muss Sparkurs einleiten

          Ihr Rücktritt kommt nur einen Tag, bevor die Konzernführung in Ludwigshafen Details zu dem bereits angekündigten Sparprogramm verkünden will. Dabei dürften Tausende Stellen wegfallen und Teile der Produktion verlagert werden. Der kriegsbedingt hohe Gaspreis und die Unsicherheit über Höhe und Verfügbarkeit „grüner Energien“ sorgt in der Chemieindustrie für erheblichen Druck.

          BASF

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          China hingegen, schon heute der größte Produktionsstandort für Chemikalien auf der Welt, dürfte an Bedeutung noch zunehmen. Den geopolitischen Risiken und Sorgen wegen des „Klumpenrisikos“ einer solchen Investition begegnete Konzernchef Brudermüller bisher immer mit dem Verweis auf die herausragende Bedeutung Chinas in der Chemieindustrie. Mit Blick auf die nach wie vor hohe Bedeutung des europäischen Marktes für BASF sagte Brudermüller, das eigentliche Klumpenrisiko für den Konzern liege eher in Europa. Zudem haben sowohl die deutsche als auch die chinesische Regierung Interesse an der erfolgreichen Umsetzung des Projektes. Tatsächlich hat der geplante Werksverbund neben seiner finanziellen Dimension eine politische. In Zhanjiang „darf“ BASF als erster petrochemischer Konzern in China ein Werk in Eigenregie bauen und betreiben - also ganz ohne heimischen Partner. Der Bau galt deshalb zumindest bisher als Symbol für die weitere Öffnung Chinas.

          Saori Dubourg hatte sich in einem Konzern, der traditionell viel Wert legt auf Korpsgeist, neben ihren eigentlichen Aufgaben auch viel Freiheiten genommen. So machte sie sich unter anderem öffentlich in Debatten und Gastkommentaren für eine Veränderung der Bilanzierung stark, um die Bedeutung von Industrieunternehmen gegenüber Technologiefirmen zu zeigen. Ihre „Wertbilanzenallianz“ mit SAP, Bosch oder Deutsche Bank hätte man eher bei einem Vorstandsvorsitzenden vermutet.

          Seit 1996 im Konzern, seit 2017 im Vorstand hat die studierte Betriebswirtin aber auch Großregionen wie Asien und wichtige Segmente wie das Agrargeschäft mit Erfolg geleitet. Mehr als 25-mal sei sie für den Konzern schon umgezogen, sagte sie einmal der F.A.Z. Wohin sie geht, berichtet der Konzern nicht. Auch nicht, ob sie ihren noch bis 2025 laufenden Vertrag ausbezahlt bekommt.

          Mit dem Ausscheiden von Dubourg könnten die Chancen von Melanie Maas-Brunner auf den Vorstandsvorsitz wachsen. Die promovierte Chemikerin gilt als einer der aussichtsreichen Kandidaten, sie wird von den Beschäftigten und Vorstandschef Martin Brudermüller bisher gleichermaßen geschätzt. Als Standortleiterin für das Hauptwerk in Ludwigshafen und nicht zuletzt als Arbeitsdirektorin wird sie in den nächsten Wochen und Monaten allerdings zum Gesicht des Stellenabbaus werden.

          Der Vertrag von Brudermüller wurde von Aufsichtsratschef Kurt Bock Ende 2022 um ein Jahr verlängert und endet jetzt zur Hauptversammlung 2024. Die Interpretationen darüber gehen auseinander: die einen werteten die Verlängerung als Sicherheit, damit der Konzern 2023, dem Ende von Brudermüllers erstem Vertrag, in diesen Zeiten nicht ohne erfahrene Führungsleute dasteht. Zur selben Zeit scheidet nämlich das lang gediente Vorstandsmitglied Hans-Ulrich Engel altersbedingt aus. Andere Stimmen berichten, der erst 61 Jahre alte Brüdermüller hätte gerne noch länger gemacht.

          Die Stelle von Dubourg übernimmt der China-Kenner und lang gediente BASF-Fahrensmann Stephan Kothrade. Der 55 Jahre alte promovierte Chemiker hat fast zehn Jahre in verschiedenen Positionen in Asien gearbeitet, zuletzt als Verantwortlicher für die Region „Greater China“ mit Sitz in Shanghai. Seine Berufung dürfte ein Zeichen sein, dass BASF auch nach dem Abgang von Dubourg keine Abstriche macht an ihrem Großprojekt in China.

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