Bahnstreik : Stoppt diesen Mann!
- -Aktualisiert am
Claus Weselsky im Dresdener Hauptbahnhof Bild: dpa
Claus Weselsky ist Chef der Lokführer-Gewerkschaft. Das ist ihm zu wenig. Nur deshalb legt er Deutschland lahm. Ein Wutausbruch.
Donnerwetter, das hat bisher noch niemand gewagt: 50 Stunden Dauerstreik bei der Deutschen Bahn, 61 Stunden, wenn man den Güterverkehr mit einrechnet. Und das ausgerechnet an einem Wochenende, an dem in sieben Bundesländern die Herbstferien beginnen und sich auf den Autobahnen sowieso schon der Verkehr staut. Die zwölf Stunden Arbeitskampf am Mittwoch waren schon eine Zumutung für die Pendler. Allerdings konnte man da noch getrost einwenden: Ein Streik ohne Zumutungen ist nur ein Betriebsausflug.
Aber das hier? Das ist der Wendepunkt in der turbulenten Tarifauseinandersetzung zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn. Denn jetzt haben es die Lokführer übertrieben – und das gilt nicht nur, weil nun zur Abwechslung auch mal die Sonderzüge zu den Fußballspielen der Bundesliga dem Arbeitskampf zum Opfer fielen, mit Ausnahme des Zuges, der die Hertha BSC Berlin-Fans transportiert. Hertha wird von der Bahn gesponsert. Denn noch nie hat es einen so langen und so tiefgreifenden Arbeitskampf gegeben, um Minimalziele durchzusetzen: fünf Prozent mehr Gehalt und zwei Stunden weniger Arbeit. In Wahrheit geht es aber um etwas ganz anderes: den ungezügelten Machtanspruch einer kleinen Spartengewerkschaft.
Diesen Plan treibt vor allen ein Mann voran: Claus Weselsky, ein Gewerkschafter, den ein paar Millionen unzufriedener Kunden nicht aus der Ruhe bringen können. Und den nun offensichtlich das Gefühl für das rechte Maß endgültig verlassen hat.
Schon klar, die GDL besteht nicht aus Claus Weselsky allein. 16.000 Mitglieder hat die Gewerkschaft befragt, mehr als 91 Prozent von ihnen haben in einer Urabstimmung für Streik gestimmt. Ein Traumergebnis.
Aber wann, wo und wie lange gestreikt wird, ist keine basisdemokratische Entscheidung. Das wird von der Streikleitung möglichst kurzfristig festgelegt, sonst verliert der Arbeitskampf an Reiz. Und die Mitglieder haben zu folgen. Bisher scheinen sie dies auch noch bereitwillig zu tun. Endlich mal einer, der einem mächtigen Konzern wie der Deutschen Bahn die Meinung geigt.
Leider geigen sie nicht vor der Konzernzentrale, sondern belästigen auch noch Millionen von Reisenden an einem der verkehrsreichsten Wochenenden des Jahres. Selbst das ließe sich vielleicht noch rechtfertigen, wenn es um handfeste Forderungen ginge: Arbeitszeit, Vergütung, all das, wofür Gewerkschaften schon seit Jahrzehnten mit Leidenschaft streiken, durchaus auch kompromisslos. Darum geht es vordergründig natürlich auch, Weselsky ist schließlich kein Anfänger. Irgendwelche Forderungen muss man schließlich auf die Streikwesten drucken.
Die Fehde zweier Gewerkschaften
Der Kern der Auseinandersetzung ist jedoch ein ganz anderer: die alte Fehde mit den Erzrivalen von der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Genau das ist jedoch der Teil, der den Reisenden herzlich egal ist: Streiken für mehr Lohn und weniger Arbeit, das kann jeder verstehen. Aber ein Arbeitskampf darüber, welche Gewerkschaft in einem Betrieb für das Zugpersonal zuständig sein darf, das klingt in ihren Ohren wie die Wehklage eines verwöhnten Rotzlöffels, der darauf besteht, auch mal Anführer zu sein.
Es ist erstaunlich, dass sich die Lokführer auf dieses Spiel einlassen. Denn Weselsky ist gerade dabei, seine eigene Klientel durch den Dreck zu ziehen. Für die Erschließung neuer Kompetenzfelder lässt er es zu, dass ganz Deutschland aufschreit: Stoppt die Lokführer! Dabei geht es hier gar nicht um die Lokführer. Die werden von der GDL bestens und uneingeschränkt vertreten, selbst wenn sie bei der Konkurrenz organisiert sind. Das sichert ein Grundlagenvertrag aus dem Jahr 2008.