Babynahrungskrise : Erste Milchpulver-Lieferung aus Europa erreicht die USA
- Aktualisiert am
Flugzeuge stehen auf der US-Airbase im deutschen Ramstein, von wo aus Babynahrung in die Vereinigten Staaten eingeflogen werden soll. (Archivbild) Bild: dpa
Weil der US-Konzern Abbott wegen Hygienemängeln sein wichtigstes Werk für Babynahrung schließen musste, wird in den Vereinigten Staaten das Milchpulver knapp. Die US-Regierung hat ein Hilfeersuchen an die Bundesregierung gestellt.
Die USA arbeiten mit Hochdruck daran, die größte Babynahrungskrise der letzten Jahrzehnte in ihrem Land zu beheben und eine sichere Säuglingsnahrung zu gewährleisten. Am Sonntag (Ortszeit) brachte ein Militärflugzeug erste Babynahrungslieferungen auf Milchpulver-Basis aus Europa in die USA. Noch in dieser Woche soll es einen zweiten Flug geben, der von der US-Basis Ramstein in Deutschland abfliegen soll, erklärte die US-Regierung.
Ein Hilfeersuchen richteten die USA auch an die Bundesregierung. Es habe eine offizielle Bitte an das Ernährungsministerium zur Kontaktaufnahme mit deutschen Firmen gegeben, sagte eine Ministeriumssprecherin. Von der Wirtschaft sei daraufhin eine erste Lieferung von Milchpulver zur Verfügung gestellt worden. In Deutschland sei die Versorgung mit Milchpulver gesichert.
Krise könnte Marktzulassungen für Babynahrung beschleunigen
Hintergrund der Krise ist die Schließung eines wichtigen US-Werks zur Babynahrungsherstellung aufgrund von Hygienemängeln. US-Präsident Joe Biden hatte vorige Woche ein Notfallgesetz aus der Zeit des Kalten Krieges reaktiviert, um zur Lösung des Problems in die Privatwirtschaft eingreifen zu können. Nach Angaben des in Berlin ansässigen Verbandes der Milch-Exporteure fragen US-Behörden derzeit Lieferungen aus Deutschland an.
Die US-Regierung hat zur Sicherstellung der Versorgung die „Operation Fly Formula“ ins Leben gerufen, basierend auf dem englischen Begriff für Babynahrung „Infant Formula“. Das US-Verteidigungsministerium kann so auch kommerzielle Flugzeuge zum Transport des Pulvers nutzen. Am Sonntag kamen nach US-Angaben 132 Paletten des Schweizer Nestle-Konzerns in Indianapolis im Bundesstaat Indiana an, weitere 114 Paletten sollen mit dem nächsten Flug eintreffen. Die Menge des gelieferten Pulvers soll für etwa 1,5 Millionen Baby-Fläschen reichen, was aber längst nicht der benötigten Menge entspricht.
Das Eintreffen der ersten Lieferung sei für sie eine große Erleichterung, sagte Megan Kendrick, Mutter eines sieben Monate alten Säuglings mit einer Milchallergie. „Diese Produkte sind Lebensretter für so viele Kinder und Eltern. Ich bin mir sicher, dass nicht nur Babys heute Nacht ruhig schlafen werden.“
Der US-Konzern Abbott hatte sein Werk im Bundesstaat Michigan Mitte Februar vorübergehend schließen müssen. Grund dafür waren nach Angaben der Behörden bakterielle Infektionen bei vier Säuglingen. Abbott deckt eigentlich einen größeren Teil der Säuglingsnahrung in den USA ab. „Wir entschuldigen uns bei jeder Familie, die wir im Stich gelassen haben“, schrieb Abbott-Chef Robert Ford am Wochenende in der amerikanischen Tageszeitung „Washington Post“.
Zur Behebung der Krise hat der britische Konzern Reckitt Benckiser nach eigenen Angaben seine Produktion von Babynahrung um etwa 30 Prozent hochgefahren und seine Lieferungen aufgestockt. Auch Danone aus Frankreich hat seine Exporte laut Daten der US-Zollbehörden erhöht.
Jetzt zusätzlich auch von anderen Herstellern beliefert zu werden, bringt Probleme mit sich. Einerseits muss nach Angaben des Milchexport-Verbands geklärt werden, ob Unternehmen überhaupt Kapazitäten für eine Ausweitung ihrer Produktion haben. Viel wichtiger aber dürfte die Frage der Marktzulassung sein. Üblicherweise dauern solche Verfahren lange. In diesem Fall haben die USA aber dringenden Bedarf. Ob sich dadurch etwas am Zulassungsverfahren ändern könnte, ist offen.