„Schwer erträglich“ : Kretschmann rechnet mit Merkels Autopolitik ab
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Winfried Kretschmann, aufgenommen Anfang Juni 2019 in Stuttgart Bild: dpa
„Ich dachte, mir fällt die Zeitung aus der Hand. Das geht einfach nicht so weiter.“ Winfried Kretschmann lässt kein gutes Haar an Merkels Autopolitik – und wundert sich über mangelnde Professionalität.
Nach dem Autogipfel im Kanzleramt hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem Bund schwere Versäumnisse in der Verkehrspolitik vorgeworfen. „Es ist schwer erträglich“, sagte er mit Blick auf die Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Er habe sich bereits beim Dieselgipfel über die mangelnde Professionalität der Vorbereitung gewundert. Der Grünen-Politiker kritisierte, dass man zu lange über Altlasten rede und nicht in einen Arbeitsprozess komme, um die drängenden Fragen der Zukunft zu klären.
Der Gipfel am Montagabend habe keine Ergebnisse gebracht, sagte Kretschmann. Er habe die Formulierung von Regierungssprecher Steffen Seibert gelesen, dass es sich dabei um einen Einstieg in einen Gesprächsprozess handeln soll. „Ich dachte, mir fällt echt die Zeitung aus der Hand“, kritisierte Kretschmann. Man dürfe nicht ab und zu einen Gipfel veranstalten, „bei dem nichts raus kommt“. „Das geht einfach nicht so weiter.“ Wegen des internationalen Wettbewerbsdrucks müsse man nun Tempo aufnehmen.
Er habe bereits vor der Pfingstpause in einem parteiübergreifenden Vorstoß mit den Ministerpräsidenten der Autoländer Niedersachsen und Bayern, Stephan Weil (SPD) und Markus Söder (CSU), eine bessere Kooperation mit dem Bund gefordert. „Ich hoffe, dass das jetzt dann geschieht.“ Die Chefs der Automobilländer hätten große Erfahrung. „Dass wir die jetzt anpreisen müssen wie saures Bier, finde ich doch komisch.“ Man wolle keine parteipolitische Suppe kochen, sondern sich um die drängenden Fragen der Zukunft kümmern. Um Druck zu machen, werde man auch die CDU-Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Volker Bouffier und Armin Laschet, dazunehmen, die die ausländischen Hersteller Opel und Ford repräsentierten.
Der Autogipfel war am Montagabend weitgehend ergebnislos geblieben. Bund und Autobranche verständigten sich lediglich darauf, den Ausbau des Ladenetzes für Elektro-Fahrzeuge in Deutschland weiter voranzutreiben.
„Keine Zusagen, keine Versprechen“
Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sagte: „Wir haben keine Zusagen bekommen, wir haben auch keine Versprechen gemacht“. Es sei darum gegangen, wie in den nächsten Jahren mit welchen Voraussetzungen Ladeinfrastruktur geschaffen werden könne. „Es ist eine Vielzahl von Fragen, große Komplexität – und daran arbeiten wir jetzt.“ Dafür soll es eine Art „Masterplan“ geben, der alles Erforderliche klären soll, um das Netz von Ladestationen so auszubauen, dass bis 2030 sieben bis zehneinhalb Millionen Elektro-Fahrzeuge auf der Straße sein könnten.
Insgesamt sehen sich die deutschen Autobauer bei der Elektromobilität allerdings gut aufgestellt. „Wir sehen uns in einer Wettbewerbsposition, die stark ist“, sagte Mattes am Dienstagmorgen im „Deutschlandfunk“. „In den nächsten drei Jahren investiert die deutsche Automobilindustrie 40 Milliarden alleine in die Elektromobilität, in neue Produkte.“ Man werde das Produktangebot verdreifachen, die Reichweite der Fahrzeuge werde deutlich höher. „Wir tun unseren Beitrag um die Klimaschutzziele zu erreichen, eindeutig“, sagte Mattes.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte den „ergebnislosen“ Autogipfel im Kanzleramt: „Diese unkonkrete, gemeinsame Verständigung von Bundesregierung und Autoindustrie zur Entwicklung eines Masterplans zum Ausbau des Ladenetzes in Deutschland kann nicht als ein Ergebnis angesehen werden“, erklärte der Verkehrsexperte Jens Hilgenberg am Dienstag.