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Diesel und Stickoxide : Wie schlecht ist Deutschlands Luft wirklich?

Autobahn A5 bei Frankfurt Bild: Patrick Junker

Die EU-Kommission verklagt Deutschland wegen schlechter Luft. Ist die Lage tatsächlich so schlimm? Ein genauer Blick auf die Messstationen offenbart Erstaunliches.

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          Mathematisch scheint die Lage klar: Wenn die Stickoxid-Konzentration in Deutschlands Luft im Jahresdurchschnitt über 40 Mikrogramm je Kubikmeter liegt, dann sind die Grenzwerte überschritten. Wenn das oft passiert, kann Deutschland verklagt werden. So hat es die EU-Kommission getan.

          Patrick Bernau
          Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaft und „Wert“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

          An 66 Messstellen ist der Grenzwert im vergangenen Jahr überschritten worden – in den Jahren zuvor an noch mehr Stationen. Entsprechend kursieren Rechnungen darüber, wie die schlechte Luft die Gesundheit der Deutschen schädige. Doch ob die Luftmessstationen das richtige messen, darüber herrscht heftiger Streit.

          Unstrittig ist: Die Luft in Deutschland ist in den vergangenen Jahren immer besser geworden. Auch was die Stickstoff-Oxide angeht, chemische Verbindungen von Stickstoff mit Sauerstoff, die im Zentrum der Diesel-Debatte und der EU-Klage stehen.

          Das Umweltbundesamt meldet: In den 26 Jahren  von der Wiedervereinigung 1990 bis zum jüngsten ermittelten Jahr 2016 sind die Stickoxid-Emissionen 25 Mal zurückgegangen. Heute sind die Emissionen nicht mal mehr halb so groß wie damals, gemessen in Stickstoff-Dioxid sind die Emissionen von 2,9 Millionen Tonnen auf 1,2 Millionen Tonnen zurückgegangen. Nicht ganz die Hälfte davon stammt aus dem Verkehr. Das kann aus Diesel-Personenwagen kommen, aber auch aus Bussen und Lastwagen.

          Stehen die Messstationen an der richtigen Stelle?

          Umstritten ist aber, ob Deutschland seine Messstationen für die Luftqualität sinnvoll plaziert hat. Aus dem Verkehrsministierum wurde diese Debatte im März aufgemacht. Umstritten ist beispielsweise die Messtation an der Stuttgarter Neckartor-Kreuzung. Misst sie wirklich eine Luftqualität, wie Menschen sie einatmen?

          Die Luftmessstation am Stuttgarter Neckartor. Die Google-Aufnahmen stammen aus dem Jahr 2008.

          Die Station steht direkt an einer sechsspurigen Straße, die sich rund 40 Meter weiter mit einer vierspurigen Straße kreuzt. Hinter der Station liegt eine Häuserecke so, dass sich kaum Luft bewegen kann. Schon auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird nur ein Drittel der Schadstoff-Konzentration gemessen, viel weniger als der Grenzwert. Vor wenigen Tagen hat eine Feinstaub-Messung ergeben: Selbst direkt auf der Kreuzung ist die Luft besser als in dieser stickigen Ecke, in der sicher niemand lange stehen bleibt.

          Die Umwelt-Staatssekretärin hat bereits gekontert: Der Standort der Messstationen entspreche den europäischen Anforderungen. Sicher ist allerdings auch: Zumindest am Neckartor wurde aus allen möglichen Standorten der mit der schlechtesten Luftqualität gewählt.

          Am Arbeitsplatz sind die Grenzwerte deutlich höher. Nicht 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid sind dort erlaubt, sondern 950 Mikrogramm. Die Begründung: Erstens sind am Arbeitsplatz nur Erwachsene unterwegs, zweitens seien sie dort nur 40 Stunden in der Woche, hätten also später Zeit sich zu erholen. Ob sich allerdings neben der Messstation am Neckartor irgendjemand auch 40 Stunden in der Woche aufhält, ist zweifelhaft. Nicht mal das Gebäude, das der Messstation den Wind nimmt, ist ein Wohngebäude. Es handelt sich um die Rückfassade eines Justizbaus.

          Unstrittig ist allerdings, dass sich die Verbesserung der Luftqualität auch an den teils ungünstig plazierten Messstationen niederschlägt. 2016 lagen noch 90 Standorte über dem Grenzwert, 2017 waren es nur 66.

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