Kampf gegen Fahrverbote : Fauler Diesel-Kompromiss
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Frankfurt, Deutschlands Pendlerhauptstadt, ist für die Bundesregierung keine besonders belastete Stadt. Bild: Maria Klenner
Wer glaubt, der Ärger der Besitzer von Dieselfahrzeugen lege sich, wenn nun in ausgewählten Städten einige wenige Autokäufer für empfindliche Vermögensverluste teilweise „entschädigt“ werden, täuscht sich. Dieselbesitzer verfolgen die hysterische Hatz auf ihre Fahrzeuge mit der geballten Faust in der Tasche. Ein Kommentar.
Der Kompromiss im Streit um Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge ist faul. Wer glaubt, der Ärger der Besitzer von Dieselfahrzeugen lege sich, wenn nun in ausgewählten Städten einige wenige Autokäufer für empfindliche Vermögensverluste teilweise „entschädigt“ werden, täuscht sich. Denn neun von zehn Besitzern älterer Diesel werden leer ausgehen, solange es Umtauschprämien nur in 14 Städten geben soll.
Da die Preise für gebrauchte Diesel abgestürzt sind und sich der Autopreis nicht an einer Stadtgrenze ändert, verfolgen Dieselbesitzer die hysterische Hatz auf ihre bis vor wenigen Jahren noch als fortschrittlich (moderne Motorentechnik) und ökologisch (ein Fünftel weniger Sprit und Kohlendioxidausstoß) geltenden Fahrzeuge mit der geballten Faust in der Tasche. Das sind keine Dienstwagenfahrer, deren Autos alle zwei bis drei Jahre durch die Leasinggesellschaft ausgetauscht werden, sondern Käufer von teuren und ordnungsgemäß zugelassenen Privatwagen, die hohe Vermögensverluste bis zu einem Drittel erleiden und viel frisches Geld für den Kauf des nächsten Autos aufbringen müssen.
Frankfurt, Deutschlands Pendlerhauptstadt, ist für die Bundesregierung keine besonders belastete Stadt, obwohl dort nach einem Richterspruch ein großflächiges Fahrverbot droht. Mit zusätzlichen Katalysatoren in den Großfahrzeugen von Kommunen, Handel und Handwerk soll in Frankfurt ein Fahrverbot vermieden werden, hoffen Berliner Politiker. Doch weshalb soll der Steuerzahler für den größten Teil dieser Umrüstkosten aufkommen? Wenn solche Eingriffe für bessere Luft sorgen, wieso wurden Kommunen nicht vorher tätig? Auch besser fließender Verkehr könnte übrigens helfen. Ob diese „Lösung“ die sinkenden Umfragewerte von Hessens Ministerpräsident Bouffier bis zur Landtagswahl drehen wird?
Der Diesel hat keine Zukunft mehr
Die Umtauschprämien mögen den Absatz der Autohersteller beflügeln, doch sie kosten viel Geld, auch wenn sie mit anderen Preisnachlässen verrechnet werden. Schuld am Debakel sind nicht alleine die Dieselbetrüger von VW. Auch andere Hersteller trugen dazu bei, selbst wenn sie nicht betrogen haben, weil ihre Kreativität bei der Abschaltung von Katalysatoren keine Grenzen kannte. Politiker und Aufsichtsbehörden haben ebenfalls versagt, denn sie definierten Testbedingungen, die weniger einer realen Autofahrt als einer Realsatire glichen. Autofahrer, die ihre Tankfüllung selbst bezahlen, wissen seit jeher, dass der tatsächliche Verbrauch höher ist als der aus dem Prospekt. Doch wer wusste, dass Politiker selbst mit „Thermofenstern“ und „Abschalteinrichtungen“ hantierten und so zum allgemeinen Betrugsgefühl beitrugen?
Politiker und Hersteller haben gemeinsam den guten Ruf von Deutschlands Schlüsselindustrie verspielt, damit auch deren Vorsprung in der Dieselmotorentechnik. Obwohl die nächste Dieselgeneration den Ausstoß von Stickoxid auf ein Zehntel zu reduzieren verspricht und steigender Kohlendioxidausstoß schädlich für das Klima ist, hat der Diesel keine Zukunft mehr.
Durch den Elektroantrieb wird das Auto weniger komplex, viel wichtiger werden das Internet und die Cloud. Was heißt das für den größten Hersteller der Welt? VW verbündet sich gerade mit Microsoft und plant zwei Software-Entwicklungszentren, eines in Amerikas IT-Hauptstadt Seattle, das andere in China. Das wäre eine Frage für die Bundesregierung: Wieso verfügt Deutschland eigentlich nicht über eine ausreichend große und wettbewerbsfähige Software-Industrie?