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Autofarbe : Der coole Graumarkt

Graue Eminenz: Dieser Aston Martin ist eher ein Fall für das Museum als für den Straßenverkehr Bild: AKG

Auf Deutschlands Straßen fahren immer mehr Autos in Variationen von Grau. Das Image dieser unbunten Farbe sagt viel über ihre Nutzer aus.

          5 Min.

          Mausgrau, Staubgrau, Aschgrau oder doch lieber ein frisches Steingrau? Wer diese Farbvarianten hört, erinnert sich vielleicht an Loriot und eine Filmszene aus „Ödipussi“. Ende der 1980er wollte Stoff- und Möbelverkäufer Paul Winkelmann mehr Farbe und Schwung in das triste Leben eines älteren Ehepaares bringen, das ganz in Grau gekleidet in einer ebenso grauen Welt auf dem grauen Sofa saß.

          Kerstin Papon
          Redakteurin in der Wirtschaft.

          30 Jahre später geht es um Daytonagrau, Dravitgrau, Emerald Grey, Indiumgrau, Manhattangrau, Mineralgrau, Monsungrau, Moonwalk Grey, Oxidgrau oder Uranograu und die Wahl zwischen matt, Metallic- oder Perleffekt – und damit um eine Vielzahl von Autolacken. Die Automobilkonzerne werben mit immer mehr Farbnuancen und Namen. Seit Jahren wächst der Anteil grauer Autos auf deutschen Straßen. Grau ist inzwischen beliebter als jede andere Farbe.

          Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes wurden im Vorjahr mehr als eine Million Pkw in Grau zugelassen – ein Anteil von fast 30 Prozent an allen Neuzulassungen. Selbst das sonst so beliebte Schwarz kam auf Rang zwei nur noch auf etwa 852.000 Neuzulassungen, gefolgt von Weiß mit 718.000 Autos.Vor einem Jahrzehnt waren Grau und Schwarz zwar noch etwas mehr gefragt. Das Kraftfahrt-Bundesamt erfasst in der Kategorie Grau aber sowohl graue als auch silberfarbene Fahrzeuge. Und im Jahr 2009 gab es noch weit mehr in Silber lackierte Wagen als jetzt, ihr Anteil fällt. Das zeigt auch der Blick auf das Straßenbild.

          Silber verliert

          Händler verschiedener Marken betätigen diese Trends. „Grau ist zu einer coolen Farbe geworden“, sagt Thomas Weil, Großkundenbetreuer von BMW in Frankfurt. Selbst graugefärbte Haare seien nun in. „Da ein Auto ein sehr emotionales, aber eben auch ein sehr austauschbares Produkt ist, versuchen viele Käufer, sich nach außen hin mit der Farbe und anderen Details auszudrücken“, sagt Weil. So schafften sie sich etwas Individualität. Graue Autos wirkten zudem immer sehr dynamisch, als hätten sie viele Pferdestärken unter der Haube, und manchmal auch frech. Silberne Fahrzeuge verbinde man eher mit konservativen, eher älteren Autofahrern.

          Auch der in Europa führende Lackhersteller BASF bestätigt das neue Interesse an Grau. „In Europa, dem Nahen Osten und Afrika haben Grautöne in den vergangenen Jahren kontinuierlich an Beliebtheit gewonnen“, sagt Ralf Otte, Marketingleiter für Fahrzeugserienlacke in diesen Regionen von BASF Coatings. Im Vorjahr sei Grau (19 Prozent der Fahrzeuge) hier nach Weiß (31 Prozent) erstmals der zweitbeliebteste Farbbereich gewesen, gefolgt von Schwarz (18 Prozent).

          Dabei sei der Anteil grauer Fahrzeuge in allen Fahrzeugsegmenten ähnlich, mit Ausnahme von Vans (12 Prozent). Dort dominiere Weiß. Und auch wenn Silbertöne rückläufig seien, verschwänden solche Fahrzeuge nicht ganz von den Straßen, sagt Otte. Im Jahr 2018 machten sie laut BASF 10 Prozent der Fahrzeuge in Europa aus.

          „Uni-Farbtöne sind cool“

          Farbe ist ein wichtiges Entscheidungskriterium für den Autokauf. „Vor allem graue Uni-Farbtöne sind sportlich, jung und cool“, sagt Otte. Dies gelte zudem für Töne mit sehr zurückhaltenden Effekten, die wie unifarben wirkten: „Daher sind diese Farbtöne oft auf sportlichen, agilen Autos zu sehen oder werden in Kombination mit Sport-Paketen angeboten.“ Grau sei außerdem eine sehr urbane Farbe, da Städte generell sehr viel Glas und Beton verarbeiteten und hier sehr viele Grautöne zu finden seien.

          Lackauswahl mit Effekt

          Die Autohersteller setzen die Farben der Lacke und das Zusammenspiel mit anderen Elementen sehr bewusst ein. Sie tun dies für kleinere und größere Fahrzeuge und je nach Design. „Grau kann auch sehr elegant und fließend wirken, zum Beispiel auf großen Karossen“, sagt Otte. Mit Effektfarbtönen könne die Farbe zudem die Formgebung der Karosse unterstützen oder auch sehr zurückhaltend sein.

          Wegen dieser Vielzahl an Möglichkeiten sei Grau so kompatibel mit vielen Modellen und Wünschen der Autokäufer. BASF Coatings liefert 110 graue Farbtöne – von unifarbenen Hellgraus bis hin zu metallischem Anthrazit. Nur für Blau ist die Bandbreite noch größer, hier sind es rund 130 Varianten.

          Und wie kommen die Farben auf das Auto? BASF setzt sich eigenen Angaben zufolge meist einmal im Jahr mit den Automobilkonzernen zusammen, um über Trends, neue Farben und Modelle zu sprechen. Von der Entwicklung einer Farb-Idee bis hin zum ersten lackierten Fahrzeug können schon mal drei bis fünf Jahre vergehen. Die Zusammenarbeit reicht dann bis in die Lackierstraßen der Hersteller hinein, um den optimalen Auftrag der Lackschichten – Tauchlackierung, Füller, Basislack und Klarlack– zu gewährleisten und später das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

          So viel Farbe ist auf deutschen Straßen eher selten.
          So viel Farbe ist auf deutschen Straßen eher selten. : Bild: dpa

          Sind es die Wünsche der Kunden oder die Angebote der Hersteller, welche die Autos so grau werden lassen? „Unser Angebot orientiert sich grundsätzlich eng an den Wünschen unsere Kunden“, sagt Christoph Oemisch, Marketingfachmann von Volkswagen. Dies gelte auch für die Farbpalette. Daher werde ein Uni-Grauton auch für viele Modellen aufpreisfrei angeboten. Für den VW Golf zum Beispiel ist es das dunkle Uranograu. Die Metallic-Grautöne lägen preislich auf demselben Niveau wie andere Metallic-Farben.

          „Böse Autos“

          Ohne Aufpreis gibt es zum Beispiel auch das Mini-Grau. Hier ist es ein helleres Grau (Moonwalk Grey), bei dem im Sonnenlicht leichte Effekte zu sehen sind. Durch ein schwarzes Dach und andere Elemente wie Streifen kann der Käufer sein Fahrzeug zudem etwas von anderen einheitsgrauen Autos absetzen. So etwas kann aber auch unerwünschte Effekte haben. So berichtet Weil von einem Großkunden, dessen neuer Vorstand eines Tages durch die Tiefgarage gegangen sei. Dabei habe er festgestellt, dass zu viele Autos zu „böse“ aussähen, um mit diesen Fahrzeugen zum Kunden zu fahren.

          Anlass zur Kritik gaben BMW 3er- und 5er-Modelle. Hier könne man seit einigen Monaten auch die BMW-bekannte Niere und die Felgen ganz in Schwarz bestellen, zusätzlich zu den Fensterumrahmungen, sagt Weil. Künftig dürften Fahrzeuge dieser Art nicht mehr als Firmenwagen dieses Dienstleisters bestellt werden.

          Grau kann auch besonders teuer sein. Das gilt zum Beispiel für das Daytona-grau von Audi. Angelehnt ist der Name an die amerikanische Rennstrecke in Daytona Beach in Florida. Während ein Audi Q5 in Quantumgrau oder Monsungrau Metallic 900 Euro mehr kostet, beträgt der Aufpreis für Daytonagrau mit Perleffekt 2400 Euro. BWM lässt sich für sein 3er-Modell in Oxidgrau Metallic mit 1950 Euro zusätzlich bezahlen, Mineralgrau Metallic kostet dagegen 900 Euro.

          Und was sagt die Farbe Grau über die Menschen aus, die solche Fahrzeuge fahren? „Grau ist eine angepasste, eher unauffällige und neutrale Farbe“, sagt die Kieler Psychologin Svenja Lüthge: „Sie wirkt seriös, solide und elegant, aber auch diplomatisch. Jede andere Farbe steht für klare Botschaften.“ Lüthge sieht in der Liebe zu Grau einen Trend hin zur neuen Mitte wie in der Politik:

          „Mit dieser Nichtfarbe kann man nichts falsch machen.“ Ganz praktische Aspekte für den Kauf eines Autos könnten auch sein, ob es vorrätig sei oder ob der Wagen pflegeleicht und praktisch sei, sagt Lüthge: „Gerade für Deutsche ist ein gepflegtes Auto ein Statussymbol.“

          Pflegeleicht und gut verkäuflich

          Und in der Tat wirken graue, aber auch silberfarbene Fahrzeuge in der Regel weniger schmutzig als andere. Das merkt jeder schnell, der schon einmal ein dunkles oder ein sehr helles Auto gefahren hat. „Graue Fahrzeuge bieten den Vorteil, dass Staub und leichte Verschmutzungen weniger schnell sichtbar sind als auf Schwarz oder Weiß“, sagt Oemisch. Technisch betrachtet seien graue Lacke zwar nicht pflegeleichter als andere, sagt Otte. Doch Verschmutzungen auf Wagenfarben wie Weiß und Schwarz seien deutlicher wahrnehmbar als auf in Grau oder Silber lackierten Fahrzeugen.

          Sorgen sich die Betreiber von Tankstellen und Autowaschanlagen, weil es nun so viele graue, pflegeleichte Fahrzeuge gibt? Nach den Worten des Vorstandsvorsitzenden ihres Verbandes BTG-Minden, Joachim Jäckel, habe sich das Waschverhalten der Deutschen durch die wachsende Beliebtheit von Grau nicht verändert. Durchschnittlich werde ein deutsches Auto achtmal im Jahr gewaschen. Vor 25 oder 30 Jahren seien es noch 17 Wäschen gewesen, aber da habe eine Familie auch nur ein einziges Auto besessen, das sie immer genutzt habe.

          Die Fahrzeuge blieben ja auch nur optisch länger schön, seien aber genauso schmutzig wie andersfarbig lackierte Wagen, sagt Jäckel. So liege es stets am Schmutzempfinden des Fahrers und an der Jahreszeit, ob mehr oder weniger gewaschen werde.

          Sind graue Autos zeitlos und leichter wiederzuverkaufen? „Den Großteil der gewählten Automobilfarben machen seit Jahren die unbunten Farben Weiß, Schwarz, Grau und Silber aus“, sagt Otte: „Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass diese Töne den Ruf haben, sich leichter wiederverkaufen zu lassen, da sie eine neutralere Erscheinung haben und weniger provokant sind.“ BMW-Fachmann Weil verweist auf knallrote Fahrzeuge, die von Leasinggesellschaften schon mal mit einer Reduktion des Restwertes versehen würden. Für graue Fahrzeuge gebe es weder Auf- noch Abschläge.

          „Wir hätten gerne das Aschgrau“

          Für welche Farbe auch immer sich Autokäufer beim nächsten Mal entscheiden mögen, dürfte zwar von einem möglichen Aufpreis, aber vor allem den eigenen Wünschen abhängen. Das Ehepaar aus Loriots Film jedenfalls wollte sich von ihrer Vorliebe für Grau auch für den neuen Sofa-Bezug nicht abringen lassen: „Wir hätten gern das Aschgrau.“

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