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Verkehrspolitik : Ampel will 45 Milliarden Euro in das Schienennetz investieren

Die Bahn freut sich über mehr Geld. Bild: AP

Die Deutsche Bahn freut sich auf den neuen Geldregen, auch die Wettbewerber sind euphorisch. Bei manchen Projekten könnte es demnächst deutlich schneller gehen.

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          144 beschleunigte Autobahnprojekte und 45 Milliarden Euro für die Bahn in den kommenden vier Jahren: Im Verkehrssektor sind das die Ergebnisse des Koalitionsausschusses, die in der öffentlichen Debatte den größten Raum einnehmen. Das erste Thema ist dabei allerdings reichlich verkürzt dargestellt: Tatsächlich will die Ampelkoalition die langwierigen Planungs- und Genehmigungsprozesse für große Infrastrukturvorhaben insgesamt deutlich abkürzen. Davon profitiert künftig nur eine eng begrenzte Zahl von Bauprojekten an Autobahnen, die als dringlich eingestuft wurden und Engpässe beheben sollen.

          Corinna Budras
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          Einen größeren Einfluss auf die künftige Verkehrspolitik dürfte eine andere Zahl haben, auf die sich die Spitzen der Ampelparteien am Dienstagabend geeinigt haben: 45 Milliarden Euro zusätzlich will die Ampel bis 2027 für das Schienennetz bereitstellen. Das ist der Investitionsbedarf, den die Deutsche Bahn als dringend notwendig für den Erhalt und den Ausbau des Schienennetzes erachtet. Damit stockt die Bundesregierung die Zahlungen noch einmal deutlich auf. Bisher ist vereinbart, dass der Bund bis zum Jahr 2030 rund 63 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Ein großer Teil der zusätzlichen Ausgaben soll durch die Lkw-Maut abgedeckt werden, die vom kommenden Jahr an deutlich ausgeweitet wird. Damit sollen erstmals Einnahmen aus der Straße in den Schienenausbau fließen.

          „Das ist Schweiz pur“

          Die Deutsche Bahn und ihre Wettbewerber sowie Interessenverbände bewerteten die Entscheidung gleichermaßen als bahnbrechend. „Die Entscheidungen sind eine wirkliche Weichenstellung für das Schienennetz der Zukunft“, betonte Bahnchef Richard Lutz. Jetzt seien die Voraussetzungen geschaffen, die veraltete und störanfällige Schieneninfrastruktur konsequent zu modernisieren und zu digitalisieren. Auch die sonst eher kritische Schienenverkehrsbranche äußerte sich am Mittwoch ungewöhnlich euphorisch. „Das Warten hat sich doch gelohnt“, findet Tobias Heinemann, Präsident des Mofair-Verbandes, der die Privatbahnen vertritt. „Nach Monaten und Jahren des Nichtentscheidens sind nun wichtige Schritte gemacht, vor allem die Durchbrechung der bisher getrennten Finanzierungskreisläufe für Straße und Schiene durch Verkehrsminister Volker Wissing.“

          Und das Netzwerk Europäischer Güterbahnen bemüht sogar das große Vorbild Schweiz; in dem Nachbarland wird schon seit Jahrzehnten deutlich mehr Geld in das Schienennetz investiert: „Das ist Schweiz pur. Der angekündigte finanzielle Rückenwind für Modernisierung und Erweiterung der Schieneninfrastruktur reagiert auf die Versäumnisse der Vergangenheit und nimmt die Chancen für die Zukunft in den Blick.“

          Infrastruktur im „überragenden öffentlichen Interesse“

          Geld allein reicht indes nicht, heißt es bei den Wettbewerbern gleich im Anschluss an das Lob. Sie pochen darauf, dass das Bundesverkehrsministerium weiter intensiv an einer neuen Finanzierungsarchitektur für die deutsche Schieneninfrastruktur arbeitet und die komplexe Struktur des Staatskonzerns umbaut. Wissing will zum Januar 2024 eine gemeinwohlorientierte Infrastruktursparte gründen. Sie soll dafür sorgen, dass die Finanzmittel für die Schiene sauberer getrennt werden vom üblichen Bahnbetrieb. Nach den Vorschlägen der Beschleunigungskommission Schiene soll es zudem zwei Fonds geben, über die notwendige Mittel längerfristig zur Verfügung gestellt werden. Das würde der Bauindustrie mehr Planungssicherheit verschaffen.

          Auch bei der Verwirklichung von Bauprojekten könnte es bald deutlich schneller vorangehen als bisher. Dafür will Wissing große Infrastrukturvorhaben zum „überragenden öffentlichen Interesse“ erklären, damit sie gegenüber anderen Vorhaben bevorzugt werden können. Behörden und Gerichte müssen diese Projekte mit besonderer Priorität behandeln; Abwägungsprozesse etwa mit Blick auf Umweltfragen könnten dann schneller zugunsten des konkreten Bauprojekts ausfallen. Dies betrifft alle vordringlichen Schienenprojekte aus dem Bundesverkehrswegeplan, was der Interessenverband „Allianz pro Schiene“ als großen Erfolg wertet. Umgekehrt verweisen die Grünen darauf, dass Wissing mit seinem Vorhaben gescheitert ist, alle Straßenbauprojekte in diesem Sinne zu beschleunigen. Statt dessen soll dies nur für ausgewählte Ausbauprojekte wie auf der A 3, A 8 oder A 45 gelten – und auch nur, wenn das jeweils betroffene Bundesland dem zustimmt.

          Große Hoffnungen setzt die FDP im Verkehrssektor zudem auf synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels. Auf EU-Ebene hat sie gerade durchgesetzt, dass damit betriebene Neufahrzeuge als Alternative zu E-Autos auch nach 2035 erhalten bleiben. Diese Hintertür im Verbrennerverbot will die Bundesregierung jetzt mit einer „E-Fuels-Strategie“ flankieren und einen Fahrplan für den Hochlauf synthetischer und klimaneutraler Kraftstoffe vorlegen.

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