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Dieselskandal Gericht verpflichtet Porsche zur Rücknahme eines Autos

Zum ersten Mal haben Richter in Deutschland den Sportwagenhersteller Porsche dazu verurteilt, einen manipulierten Wagen zurückzunehmen. Der Autobauer soll sogar Zinsen und Schadenersatz zahlen.

Von Michael Ashelm, Klaus Max Smolka, Susanne Preuß, Marcus Jung

In dem Porsche Cayenne Diesel, Baujahr 2014, war den Richtern zufolge eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Das Foto zeigt allerdings nicht den strittigen Wagen, sondern einen anderen Cayenne.
© EPA
In dem Porsche Cayenne Diesel, Baujahr 2014, war den Richtern zufolge eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut. Das Foto zeigt allerdings nicht den strittigen Wagen, sondern einen anderen Cayenne.

Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist hart: Der Sportwagenhersteller Porsche soll ein vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeuge vom Kunden zurücknehmen und einen hohen Schadenersatz zahlen. Das ergibt sich aus einem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 25. Oktober, berichtet die F.A.Z. exklusiv. Es ist das erste Mal, dass ein solches Urteil gegen den Autohersteller ergangen ist.

Gegenstand des Verfahrens war die Forderung einer Klägerin, die Porsche AG solle das Fahrzeug vom Typ Porsche Cayenne Diesel, Baujahr 2014, gegen Erstattung des Kaufpreises und abzüglich einer angemessenen Nutzungsentschädigung zurücknehmen. Die Richter urteilten, dass in dem Auto ein Motor mit unzulässiger Abschalteinrichtung verbaut worden sei. Sie bewerteten dies als sittenwidrig. Die Porsche AG habe vorsätzlich gehandelt und eine Schädigung zahlreicher Kunden in Kauf genommen. Das Unternehmen müsse sich an die Regeln halten, zudem würde eine hohe Sorgfalt erwartet. Besonders verwerflich sei, dass sich Porsche bewusst über die Regeln hinwegsetzte, um Gewinne zu generieren und sich wirtschaftliche Vorteile gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen, die die Einhaltung der EU Vorschriften auf legalem Wege erreichten, heißt es in der Entscheidung.

Nun muss der Konzern der Kundin knapp 60.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent gegen die Rückübereignung des Autos zahlen und die Kosten des Rechtsstreits tragen. Bei dem Dieselantrieb des Cayennes handelt es sich um einen Sechszylinder-Motor mit einer Leistung von 262 PS der Emissionsklasse Euro 6. Das Gericht hat festgestellt, dass der Klägerin mit Abschluss des Kaufvertrages ein Schaden entstanden sei, weil die konkrete Gefahr bestanden habe, dass die Stilllegung des Fahrzeugs durch das Kraftfahrtbundesamt angeordnet würde. Dieses erstinstanzliche Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Die Porsche AG kann gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Stuttgart einlegen. Das Unternehmen führte auf Anfrage schriftlich aus, dass es das Urteil des Landgerichts als „rechtsfehlerhaft“ erachte. Das Unternehmen sehe weiterhin keinen Anlass für die Geltendmachung von Ansprüchen, weil für die betroffenen Fahrzeuge eine mit dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) abgestimmte technische Maßnahme per Softwareaktualisierung durchgeführt werde. Diese voll funktionsfähigen Fahrzeuge könnten weiterhin uneingeschränkt genutzt werden. Porsche gehe daher „davon aus, dass das vorliegende Urteil in der Berufungsinstanz korrigiert werden wird“.

Kraftfahrtbundesamt ordnete Rückrufe an

Bis jetzt sah alles lange danach aus, als würde der Diesel-Skandal an Porsche vorbeigehen. Im Gegensatz zu anderen deutschen Autobauern ist der Anteil der Diesel-Autos mit 15 Prozent am Gesamtabsatz ziemlich klein, und Porsche entwickelt auch die Motoren nicht selbst, sondern bezieht sie von der ebenfalls zum VW-Konzern gehörenden Marke Audi.

Seit Bekanntwerden des Dieselskandals entwickelte Porsche Software-Updates und rief Autos zu freiwilligen Nachrüstaktionen in die Werkstatt. Dann aber platzte vorigen Sommer die Bombe. Der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) erließ von einem Tag auf den anderen einen Zulassungsstopp für den Geländewagen Cayenne mit 3-Liter-Motor und ordnete eine Nachrüstung für die schon zugelassenen Autos an: 22.000 in Europa. Dieses Jahr im Mai legte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) nach und ordnete den Rückruf von weiteren 60.000 Autos in Europa an.

„Wir tun unser Möglichstes, um alles in Ordnung zu bringen“

Wer bei Porsche von den Machenschaften rund um die Emissionstests wusste oder sie gar angeordnet hat, untersucht die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Drei Personen sind konkret beschuldigt. Anklage ist aber noch nicht erhoben. Nach einer Großrazzia mit 200 Ermittlern in diesem April kam der Leiter der Motorenentwicklung in Haft, weil er nach Einschätzung der Staatsanwälte ebenso wie der Porsche-Entwicklungsvorstand gewusst haben soll, dass in den von Audi bezogenen Motoren unzulässige Steuergeräte verbaut wurden. „Wir weisen diesen Vorwurf zurück und tun unser Möglichstes, um alles in Ordnung zu bringen“, schrieb Porsche-Chef Oliver Blume nach der Razzia in einem Brief an die Belegschaft.

Gegen die „Hardware-Nachrüstungsfetischisten“

Ein Teil der Aufarbeitung ist die völlige Abkehr vom Diesel. Stattdessen konzentriert sich Porsche voll auf die Elektrifizierung. Von der Sportlimousine Panamera werden mittlerweile schon zwei Drittel mit einem Hybrid-Antrieb ausgeliefert. Nächstes Jahr wird zudem mit dem „Taycan“ ein rein elektrisches Sportwagen-Modell auf den Markt kommen.