Finanzierung des ÖPNV : Länder-Verkehrsminister warnen den Bund vor Wortbruch
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Die S-Bahn in Frankfurt am Main Bild: Lucas Bäuml
Die Gesetzespläne von Bundesverkehrsminister Volker Wissing sorgen für ordentlich Streit. Es geht dabei vor allem um die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs und die Kosten des 9-Euro-Tickets.
Zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Ampelkoalition gibt es heftigen Streit über die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Es geht auch um die Kosten für das 9-Euro-Ticket. Die Kritik von Verkehrsministern der Länder und Verkehrspolitikern im Bund entzündet sich an Gesetzesplänen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) für die sogenannten Regionalisierungsmittel. „Was der Bund jetzt den Ländern zur grundsätzlichen Unterstützung und Finanzierung des ÖPNV angeboten hat, reicht vorne und hinten nicht aus“, sagte die nordrhein-westfälische Verkehrsministerin Ina Brandes (CDU) der F.A.Z.
SPD-Fraktionsvize Detlef Müller ist der Ansicht, Wissings Pläne gefährdeten den Erfolg des 9-Euro-Tickets. „Wir haben daher die klare Erwartung an das Bundesverkehrsministerium, dass es hier zu Nachbesserungen bei der Finanzierungskulisse kommt.“ Der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Stefan Gelbhaar, kritisierte, der Gesetzentwurf entspreche weder den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern noch dem Koalitionsvertrag. „Sollten nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen, droht mittel- und langfristig die Kürzung des Angebotes, womit ein weiteres Koalitionsziel, die Erhöhung der Fahrgastzahlen im ÖPNV, verfehlt würde.“ Gelbhaars Parteikollege, der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann, sagte: „Wir Länder sehen erheblichen Nachbesserungsbedarf.“ Das Gesetz zu den Regionalisierungsmitteln sei zustimmungspflichtig. „Es muss also so gut sein, dass es am Ende eine Mehrheit in der Länderkammer findet.“
Der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Bernd Buchholz, ein Parteikollege Wissings, sagte der F.A.Z.: „Es muss drinstehen, dass der Rettungsschirm für den öffentlichen Nahverkehr in 2022 hälftig zwischen Bund und Ländern geteilt wird. Das ist die Zusage des Bundes.“ Zusätzlich zu dem Versprechen, den Ländern die Ausfälle für das 9-Euro-Ticket zu erstatten, sei eine deutliche Erhöhung der Regionalisierungsmittel erforderlich. „Dafür setzen sich alle Bundesländer ein.“ Der Bund sei hier gefordert. „Sonst ist das Ziel, im Nahverkehr viel mehr Menschen zu befördern, nicht erreichbar.“
Die Länder sollen dieses Jahr zusätzliche 3,7 Milliarden Euro für den Nahverkehr bekommen: 2,5 Milliarden Euro für die prognostizierten Mindereinnahmen durch die Aktion des „9 für 90“-Tickets. Weitere 1,2 Milliarden Euro sind vorgesehen, um pandemiebedingte Verluste im Nahverkehr zu kompensieren. Die Gesamtkosten für diesen Rettungsschirm werden allerdings auf 3,2 Milliarden Euro beziffert. Es fehlen also 400 Millionen Euro des hälftigen Anteils, den der Bund zugesagt hat.
Zusätzliche Mobilitätsangebote fördern
Weitere Forderungen der Länder zur Finanzierung des ÖPNV sind in dem Gesetzentwurf bislang nicht berücksichtigt. Die Länder brauchten zusätzlich weitere 1,5 Milliarden Euro vom Bund – und zwar jedes Jahr aufwachsend, forderte Ministerin Brandes. Zu denken sei unter anderem an die gestiegenen Energiekosten der Verkehrsunternehmen. Unterstützung erhalten die Länderminister vom Städte- und Gemeindebund: „Die Mobilitätswende wird nur flächendeckend gelingen, wenn Bund und Länder zusätzliche Mobilitätsangebote fördern“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.
Die Mittel für das 9-Euro-Ticket hätten einen nachhaltigeren Effekt, wenn sie für eine bessere Anbindung und Taktung verwendet würden. Der verkehrspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Thomas Bareiß, kritisierte: „Keiner weiß, wie die 2,5 Milliarden Euro als Kompensation des ,9 für 90‘-Tickets berechnet wurden.“