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Zustand der Deutschen Bahn : „Das 9-Euro-Ticket macht krank“

  • Aktualisiert am

Voller Bahnsteig: Fahrgäste warten dicht gedrängt am Frankfurter Hauptbahnhof. Bild: dpa

Defekte Toiletten, überfüllte Züge, überlastete Mitarbeiter: Gewerkschaften sind besorgt wegen des Zustandes der Deutschen Bahn. Sie hätten „Zustände, wie in diesem Sommer noch nie erlebt“. Derweil läuft die Debatte um die Nachfolge des 9-Euro-Ticket.

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          Die beiden Gewerkschaften EVG und GDL zeigen sich äußerst besorgt über die Situation der Deutschen Bahn. „Ich habe solche Zustände wie in diesem Sommer noch nie erlebt“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin Burkert, der „Welt am Sonntag“. „Ich habe bei einem Zug von Rostock nach Hamburg gesehen, wie Menschen buchstäblich aus dem Zug gefallen sind, als die Türen geöffnet wurden“, berichtete er.

          Der Fahrgast-Ansturm auf den Nahverkehr seit Anfang Juni führe zu starken Abnutzungserscheinungen. „Wir stellen schon sehr frühzeitig Schäden durch die starke Nutzung des 9-Euro-Tickets fest: Aufzüge sind defekt, Toiletten in Zügen funktionieren nicht mehr, es wird einfach alles sehr stark belastet“, sagte Burkert. „Viele Kolleginnen und Kollegen sind bereits an der Belastungsgrenze.“ Die Krankenstände stiegen. „Wir merken: Das 9-Euro-Ticket macht krank.“

          „Das ist der absolute Super-Gau“

          Der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, sprach von einem Chaos in diesem Sommer, wie er es noch nie erlebt habe bei der Bahn. „Das ist der absolute Super-Gau“, sagte er der Zeitung. Der Zustand des Staatskonzerns sei „durch jahrelanges Kaputtsparen katastrophal“. Er plädierte abermals dafür, zumindest innerhalb des Konzerns Netz und Betrieb klar zu trennen.

          Dem bundeseigenen Konzern machen erhebliche Probleme im Betrieb zu schaffen – für Fahrgäste führt das zu vielen Verspätungen. Im Juni kamen nach Unternehmensangaben nur noch 58 Prozent der Fernzüge pünktlich ans Ziel, im Regionalverkehr 88,5 Prozent der Züge. Die Bahn versuche auf einem überlasteten Schienennetz so viele Menschen wie möglich mit zusätzlichen Zügen zu transportieren, hatte Bahnchef Richard Lutz Ende Juni erläutert und mit Blick auf Verspätungen gesagt: „Glauben sie mir: Ich leide wie ein Hund.“

          Um einen verlässlicheren Betrieb und weniger Baustellen-Störungen zu erreichen, haben die Bahn und Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine „Generalsanierung“ der wichtigsten Strecken ab 2024 angekündigt. „Ich erwarte, dass wir in Zukunft wieder die Uhr nach der Bahn stellen können“, sagte der FDP-Politiker, der die Netzsanierung zur „Chefsache“ erklärte.

          Unterdessen hat das Verkehrsministerium zurückhaltend auf einen Vorschlag aus der Branche zur Einführung einer dauerhaften 69-Euro-Fahrkarte als Nachfolger des 9-Euro-Tickets reagiert. Ein Sprecher von Ressortchef Volker Wissing sagte am Freitag, es gebe ein verabredetes Verfahren, wonach im Herbst Ergebnisse einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zur Zukunft und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) vorliegen sollen.

          Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hatte sich zunächst in der F.A.Z. für ein dauerhaftes 69-Euro-Ticket ausgesprochen, das bundesweit für den ÖPNV gelten soll. Das 9-Euro-Ticket läuft Ende August aus. „Ausgehend von der Prämisse, dass die ÖPNV-Tarife der Verkehrsverbünde für das Gros der Fahrgäste weiterhin attraktiv sein werden, schlagen wir insbesondere für diejenigen, die sich in der Marktforschung als relevante Zielgruppe erwiesen haben - zahlungswillige Autofahrerinnen und -fahrer - ein bundesweit gültiges ÖPNV-Klimaticket für 69 Euro pro Monat als einfache Fahrtberechtigung der 2. Klasse vor“, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff.

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