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F.A.Z. exklusiv : Kernkraftverband appelliert an Scholz, Atomkraftwerke länger laufen zu lassen

Zurück zur Atomkraft? Die Grünen haben für den Atomausstieg gekämpft. Bild: dpa

Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine gelte es, sofort Schritte einzuleiten, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen, heißt es in dem Schreiben, das der F.A.Z. vorliegt.

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          Der Branchenverband der Atomwirtschaft, Kerntechnik Deutschland, hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in einem Brief aufgefordert, die Laufzeiten  der deutschen Kernkraftwerke zu verlängern. Angesichts der aktuellen „Notsituation“, in der schnellstmöglich russische Energielieferungen ersetzt werden müssten, gelte es sofort Schritte einzuleiten, um die Versorgungssicherheit sicherzustellen, heißt es in dem Schreiben, das der F.A.Z. exklusiv vorliegt.

          Christian Geinitz
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin

          Wörtlich schreibt der Verbandsgeschäftsführer Thomas Behringer, man appelliere „eindringlich“ an Scholz, „im Angesicht der potentiell gefährlichen Lage bei der Energieversorgung unseres Landes die aktuelle Position der Regierung betreffend Kernenergienutzung zu überdenken und alle Schritte sofort einzuleiten, um sich für eine Notsituation vorzubereiten.“ Die Regierung hatte die Reaktivierung kürzlich ausgeschlossen, auch im jüngsten Entwurf der Ampelkoalition zum „Maßnahmenpaket zum Umgang mit hohen Energiekosten“, welcher der F.A.Z. ebenfalls vorliegt, heißt es: „Dabei schließen wir die Atomkraft weiter aus“.

          Behringer argumentiert dagegen: „Um in einer weiter eskalierenden Situation als Folge des Krieges um die Ukraine, die zu Lücken in der Stromversorgung durchaus noch dieses Jahr – ungünstigstenfalls im kommenden Winter 2022/2023 – führen kann, gewappnet zu sein, müssen alle verfügbaren Energiequellen genutzt werden.“

          Ist genügend Uranbrennstoff vorhanden?

          Was die Stromversorgung angeht, zu der die Kernenergie zuletzt noch 11 Prozent beitrug, gehörten dazu „zweifelsohne deutsche Kernkraftwerke, die mit ihrer Verfügbarkeit rund um die Uhr, zudem dabei auch klimaschonend, nicht nur das Stromnetz im Notfall stabilisieren, sondern auch mit ihrer Erzeugung einen nicht unerheblichen Teil des Grundlastbedarfs decken können“, heißt es in dem Schreiben an Scholz weiter.

          Der Verband räumt zudem Zweifel aus, dass es kurzfristig nicht genügend Uranbrennstoff gebe: „Kernkraftwerke können mittels eines sogenannten Streckbetriebs sowie ggf. brennstoffsparender Fahrweise in diesem Sommer dann mindestens bis nächstes Frühjahr problemlos weiterbetrieben werden. Falls gewünscht, können sie durch Nachladung mit neuen Brennelementen auch durchaus noch weitere Jahre zur Sicherheit der deutschen sowie europäischen Stromversorgung beitragen und dabei gleichzeitig die Abhängigkeit von Einfuhren fossiler Energieträger reduzieren.“

          Die Zahl der Kraftwerke wird nicht genannt, was bedeutet, dass sowohl die drei noch am Netz befindlichen Reaktoren gemeint sind als auch das Wiederhochfahren der im vergangenen Jahr stillgelegten. Nach Auffassung des Verbands, dem unter anderem der Kernkraftwerkbetreiber Preußen-Elektra angehört, dauert der geplante Bau von Terminals zur Anlandung des Flüssiggases LNG zu lange. Gleiches gelte für den Ausbau der erneuerbaren Energien samt der dafür nötigen Netze. Hingegen gelte für die Weiternutzung der Nukleartechnik: „Diese Maßnahme könnte sofort beschlossen und kurzfristig umgesetzt werden.“

          Kerntechnik Deutschland hält den kürzlich vom Bundeswirtschafts- und Bundesumweltministerium vorgelegten Prüfvermark für unbegründet, wonach die Laufzeitverlängerung aus Sicherheitsgründen nicht möglich sei. Das sei ein „Katalog von Hinderungsgründen, der nach unserer Ansicht vielfach fachlich nicht zutreffend ist und vor allem der derzeit kritischen Lage nicht gerecht wird.“

          Der Wunsch der Regierung, im Sinne des Klimaschutzes den Gasverbrauch und die -importe zu verringern, sei „nicht kurzfristig zu realisieren“. Nötig sei vielmehr die Flankierung durch eine „sichere und verlässliche Energieversorgung“.

          Behringers Brief endet fast flehentlich: „Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, bitte sorgen Sie jetzt für die Grundsatzentscheidung für einen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken zur Energiesicherung, damit die erforderlichen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden können.“ Wie zu hören ist, hatten die Regierung vor ihrer Ablehnung des Weiterbetriebs weder die Gesellschaft für Reaktorsicherheit noch die Reaktorsicherheitskommission gehört.

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