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Smartphone-Nutzung : Warum unbeliebte Apps länger genutzt werden

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Vor allem Social-Networking-Apps sind nicht zufriedenstellend – wenn man sie lange nutzt. Bild: AP

Wer eine App lange nutzt, ist sicherlich auch zufrieden damit – sollte man meinen. Das stimmt aber gar nicht.

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          Der amerikanische IT-Spezialist Tristan Harris hat Erstaunliches herausgefunden: Je länger Menschen eine bestimmte App nutzen, desto unzufriedener sind sie mit ihr. Die App „Moment“ des Programmierers Kevin Holesh kam Harris dabei wie gerufen. Sie misst nämlich, wie viel Stunden und Minuten Menschen eine App pro Tag nutzen. 200.000 App-Nutzer wurden gefragt, ob sie mit der App zufrieden sind oder nicht, nachdem sie gesehen haben, wie viel Zeit sie auf ihr verbracht haben. Aus der Auswertung der Ergebnisse haben die Männer dann zwei Ranglisten erstellt: die Apps, die Nutzer zufrieden und die Apps, die Nutzer unzufrieden zurücklassen.

          Die Liste der unbeliebten führt die Dating-App „Grindr“ an, die es homosexuellen und bisexuellen Männern ermöglicht, sich zu finden und in Kontakt zu treten, wenn Interesse besteht. Durchschnittlich wird diese App 61 Minuten täglich genutzt. Ganze 77 Prozent der Nutzer sind unzufrieden mit der Nutzung der App. Den zweiten Platz belegte das Smartphone-Spiel „Candy Crush Saga“. Eine gute Dreiviertelstunde haben sich Nutzer im Durchschnitt versucht, Süßigkeitenpaare einzusammeln. Die App lässt 71 Prozent unzufrieden zurück.  Mit der Nutzung von einer knappen Stunde und einer Bewertung von 64 Prozent liegt die App des sozialen Netzwerks „Facebook“ auf dem dritten Platz. „Wenn ich die App nutze, obwohl ich unzufrieden bin damit, könnte es auf eine Sucht hindeuten“, sagt Diplom-Psychologe Ralph Schliewenz. „Wenn man Angst davor hat, das Handy wegzulegen, kann das sogar schon eine Zwangsstörung sein“. Irgendwann könnten Sachen den Reiz verlieren, wenn man sich an sie gewöhnt. Aber nur, wenn man sehe, dass andere Menschen etwas Besseres hätten.

          In diesem Ranking fällt auf, dass besonders Social-Networking-Apps wie Facebook, Instagram oder Snapchat, Dating-Apps wie Tinder und Grindr und Spiele-Apps wie eben Candy Crush Saga oder Subway Surf vertreten sind. Warum man gerade mit diesen Apps unzufrieden wird, erklärt Ralph Schliewenz so: „Ich bekomme nicht das, was ich mir gewünscht habe. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ich bei einem Spiel in einem Level nicht weiterkomme oder auch, wenn ich keinen Partner finde – über Dating-Apps“. Bei Spiele-Apps käme dann auch noch hinzu, dass es ein Scoring-System gebe: Man sehe, dass Andere besser seien und das mache unglücklich.

          Die Unzufriedenheit steige eher mit dem Konsum an. Das passt dazu, dass die unbeliebten Apps wie Facebook nur bei hoher Nutzung unbeliebt sind. Bei einer Nutzung von nur durchschnittlich 22 Minuten sind die meisten der Nutzer zufrieden mit Facebook auf dem Smartphone, wie aus der Umfrage hervorgeht. Bei Candy Crush sieht es ähnlich aus: Bei der guten Dreiviertelstunde sind die meisten ja unzufrieden. Wenn Nutzer es nur durchschnittlich 12 Minuten täglich spielen, sind sie glücklich damit.

          „Man hat nicht ganze Welt in der Hosentasche“

          Natürlich kann es auch noch weitere Gründe außer der Zeit, die man eine App nutzt, geben. Es hängt davon ab, wie gut die App programmiert ist oder wie die Stimmung generell ist. Natürlich kann es auch sein, dass man unzufrieden ist, wenn man merkt, wie viel Zeit man auf einer App „vergeudet“ hat. Die Menschen, die an der Umfrage teilgenommen haben, von vorne herein ein größeres Bewusstsein für ihre App-Nutzung. Denn sie haben bereits die App „Moment“ installiert, um zu überprüfen, wie viel Zeit sie auf welchen Apps verbringen.

          „Smart sind die Programmierer von Apps – nicht die Smartphone-Nutzer“, sagt Schliewenz. Durch die Algorithmen würden Menschen am Smartphone gehalten. „Das Smartphone suggeriert, dass man die ganze Welt in der Hosentasche hat. Alles ist möglich. Das ist aber Blödsinn“.

          Die Apps, die ihre Nutzer immer zufrieden zurücklassen, sind vor allem Programme, die ihren Nutzern helfen und vorwiegend nicht nur in der Freizeit genutzt werden. Und vor allem: Diese Apps werden in der Regel nur weniger als 10 Minuten durchschnittlich genutzt. Dieses Ranking führt ausgerechnet eine App an, die dafür sorgen soll, dass Menschen runterkommen: Die Meditations-App „Calm“ wird pro Tag zehn Minuten genutzt – und hat mit den nächsten drei Apps in dem Ranking eine Zufriedenheitsquote von 99 Prozent. Auf dem zweiten Platz steht der Google Calendar. Termine eintragen und nachschauen, was ansteht, nimmt drei Minuten täglich in Anspruch. Weitere Apps in dieser Liste sind Wetter-, Musik- und Notiz-Apps. Die im Durchschnitt am meisten genutzte App ist die E-Book-App „Kindle“ mit 26 Minuten pro Tag. Trotzdem sind noch 96 Prozent zufrieden damit.

          Der Amerikaner Tristan Harris hat sich zum Ziel gesetzt, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, wie viel Zeit sie damit verbringen auf ihr Smartphone zu starren und  auf Apps herumzutippen. Der ehemalige Google-Mitarbeiter hat dafür die Organisation „Time well spent“ gegründet. In diesem Rahmen hält er Vorträge dazu und will aufklären: Menschen sollen endlich wieder Kontrolle bekommen über ihre Smartphone-Nutzung. „Sieh zu, dass du vom Smartphone loskommst“, sagt Ralph Schliewenz. Das Handy beiseite legen, sobald man merkt, wenn man unzufrieden wird. „Und: Kopf einschalten“. Also: Nicht so lange auf dem Smartphone herumtippen. Das ist nur schlecht für die Nerven.

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