Hohe Kursverluste : Anleger fürchten neue Bankenkrise
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Bankentürme in Frankfurt: Bislang schoben die höheren Zinsen die Erträge an. Bild: dpa
Steigende Zinsen sorgen nicht nur für höhere Erträge, sondern auch für Gegenwind. Die bange Frage lautet: Ist die Silicon Valley Bank ein Einzelfall, oder nicht?
Wer an der Börse von den drastischen Zinserhöhungen zur Eindämmung der Inflation profitieren wollte, hat zuletzt gern auf Finanzwerte gesetzt. Doch nun hat sich das Blatt deutlich gewendet: Die Krise um den kalifornischen Start-up-Finanzierer Silicon Valley Bank zeigt, dass die steigenden Zinsen Banken auch belasten können. Auf der einen Seite bringen diese höhere Zinserträge und schieben die Gewinne an. Einen Strich durch diese Rechnung machte nun jedoch der Umstand, dass steigende Zinsen am Geldmarkt viele Sparer veranlassen, sich anderweitig bessere Angebote zu suchen.
Um die Lücken aus dem Mittelabfluss auszugleichen, sind viele Banken gezwungen, Anleihebestände abzustoßen, deren Wert mit dem Zinsanstieg geschwunden ist. Die Folge sind Verluste, und die Befürchtung zunehmenden Verkaufsdrucks am Anleihemarkt. An der Wall Street erlitten Banktitel am Donnerstag die schwersten Verluste seit Juni 2020. Die Titel der Silicon Valley Bank fielen um 60 Prozent, da das Institut aus dem kalifornischen Menlo Park eine milliardenschwere Kapitalerhöhung zur Abfederung von Verlusten braucht. Erheblich abwärts ging es jedoch auch im breiten Sektor, bei kleineren Akteuren ebenso wie bei Branchenriesen wie JPMorgan Chase. deren Aktie 5,4 Prozent im Minus schloss.
Handelt es sich um einen Einzelfall?
In Frankfurt fiel die Aktie der Deutsche Bank AG am Freitag um 7 Prozent, für die Commerzbank ging es im Xetra-Handel um 4 Prozent bergab und für die Titel der Credit Suisse in Zürich um 4,6 Prozent. Auch die Anleihen von Banken standen unter Druck. Die Kursverluste ließen die Risikoaufschläge steigen. „Die heutige Nachricht zeigt ein Risiko auf, das die meisten Anleger offenbar nicht auf dem Schirm hatten“, sagte Adam Phillips, Managing Director im Bereich Portfoliostrategie bei EP Wealth Advisors. „Dies mag ein Einzelfall sein. Die Sorge ist aber, dass andere Banken nun ähnliche Probleme melden könnten.“
Der Hedgefondsmanager Bill Ackham forderte staatliche Hilfen für die Silicon Valley Bank. Die US-Regierung sollte ein „stark verwässerndes“ Rettungspaket in Erwägung ziehen, wenn keine Lösung am Kapitalmarkt gefunden werden könne, schlug der Gründer des aktivistischen Hedgefonds Pershing Square vor. Die Bedeutung der Bank liege darin, dass viele von Risikokapitalgebern finanzierte junge Unternehmen sie als Kreditgeber nutzen und dort ihre Betriebsmittel halten. Ein Scheitern der Bank könnte einen langfristigen Impuls für die Wirtschaft beschädigen, erklärte Ackman in einer Reihe von Tweets.
„US-Bankensystem als Ganzes solide“
Zu beruhigen versucht dagegen Mohamed El-Erian, der frühere Chef der Allianz-Fondssparte Pimco. Die US-Banken würden das Ansteckungsrisiko und den systemischen Stress aus den Turbulenzen um die Silicon Valley Bank in den Griff bekommen, erklärte er am Freitag. „Durch sorgfältiges Bilanzmanagement und die Vermeidung weiterer geldpolitischer Fehler können das Ansteckungsrisiko und die systemische Bedrohung leicht bewältigt werden“, schrieb El-Erian auf Twitter. „Das US-Bankensystem sei als Ganzes solide, was nicht heißt, dass es auch jede Bank ist.“
Noch letzte Woche lagen die US-Bankwerte im Jahresvergleich im Plus, wobei schon die Nachricht die Runde machte, dass die Unternehmenseinlagen im Jahr 2022 zum ersten Mal seit 1948 zurückgegangen sind. Plötzliche Ausverkäufe gelten an der Börse bei Banken als besonders bedenklich. Aufgrund ihrer Rolle als Kapitalgeber wird bei ihnen oft davon ausgegangen, dass sie Signale für den breiteren Markt liefern. Das Drama dieser Woche dürfte Wasser auf die Mühlen derjenigen sein, die vor einer Rezession warnen.
„Ich glaube nicht, dass dies ein Frühwarnzeichen ist, doch ich habe das Gefühl, dass der Markt das so sieht“, konstatiert Art Hogan, Chef-Marktstratege bei B. Riley Wealth. Bislang erwarteten die Analysten höhere Zinserträge. Diese Zuversicht wird nun auf die Probe gestellt, so Michael O’Rourke, Chefmarktstratege bei JonesTrading. Bislang wurde „konsequent die Realität ignoriert, dass das höhere Zinsumfeld den Unternehmen in Zukunft Gegenwind bescheren wird“, sagte er. „Aus meiner Sicht unterstreicht dies, dass steigende Zinsen eben doch eine Rolle spielen.“