Merkel und die Manager : Die Entfremdung
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Angela Merkel am Sonntagmorgen in Berlin auf dem Weg zu den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD. Bild: EPA
Lange Zeit waren Deutschlands Konzernchefs stolz auf ihre Nähe zu Angela Merkel. Spätestens seit dem Dieselskandal ist damit Schluss. Schon vor der Neuauflage der großen Koalition ist das Vertrauen dahin.
Oft macht sie das nicht. Die Subjekte ihrer öffentlichen Rügen sucht sich die Kanzlerin sorgsam aus, in höheren Rängen müssen sie schon angesiedelt sein. Mal ist der Papst dran, weil er Nachsicht mit Holocaust-Leugnern übt, mal trifft es den amerikanischen Präsidenten, den Angela Merkel öffentlich an die westlichen Werte erinnert.
Am vergangenen Montag erwischte es die Bosse der großen deutschen Autofirmen. „Ethisch in keiner Weise zu rechtfertigen“ seien die Abgastests an Affen und Menschen, ließ sie ihren Regierungssprecher erklären, von sich aus, bevor irgendein Journalist danach gefragt hatte. Die Konzerne hätten Emissionen zu senken, fügte der noch hinzu, und nicht deren Unschädlichkeit zu beweisen.
Es machte ziemlich laut rums. Am nächsten Morgen war das Thema endgültig auf den Titelseiten aller Zeitungen angekommen. „Merkel rügt Autobauer“, so oder ähnlich stand es überall zu lesen. Die Kanzlerin hatte die Aufregung noch größer gemacht, als sie es ohnehin schon war. Mitten in den Koalitionsverhandlungen, mit angekratzter Autorität, kann sie keine Rücksicht nehmen. Wenn ein Thema zu lodern beginnt, muss sich die Regierungschefin hinter einer Brandmauer in Sicherheit bringen.
Die Faszination schwindet
Auch wenn sich die Republik empört über die Millionen-Boni, die sich die Herren der Deutschen Bank trotz Verlusten genehmigen, gibt es einen Rüffel von der Kanzlerin; „selbstverständlich“ müssten sich die Konzerne fragen, „welchen Eindruck das in der Öffentlichkeit erzeugt“ – auch wenn es ihr ein Leichtes wäre, darauf zu verweisen, dass Fragen der Gehaltsfindung innerhalb der Konzerne, oder noch besser zwischen deren Eigentümer und ihren Managern, zu klären sind. Die Politik könnte sich raushalten, die Kanzlerin könnte die Banker schonen, das tut sie aber nicht, im Gegenteil: Sie feuert die Kritik noch an, und das ist kein Zufall.
Rücksicht auf die Manager deutscher Großkonzerne nimmt Angela Merkel längst nicht mehr. Der Korruptionsskandal bei Siemens, die Bankenkrise, die Dieselaffäre haben ihr Zutrauen erschüttert. Die Machtverhältnisse haben sich umgekehrt. Zu Beginn, als Oppositionsführerin, mühte sich Merkel selbst um die Gunst der Bosse, die ihre Abende freilich lieber mit Zigarren und Rotwein beim SPD-Kanzler Gerhard Schröder verbrachten als bei der Frau aus dem Osten.
Bis vor kurzem prahlten die Manager selbst mit ihrer vermeintlichen Nähe zu der wenn auch angeschlagenen Regierungschefin, die sie ihrerseits kühl abblitzen ließ. Nun, da sie an Zuspruch im Volk verliert, die Vorfreude auf eine große Koalition allgemein begrenzt ist, rücken auch die Unternehmenslenker schleichend von ihr ab. „Kein Aufbruch nirgends“, grummelt es im Lager der Wirtschaft, auch wenn noch niemand wagt, es laut auszusprechen: Die Faszination der Kanzlerin schwindet.
Es ist dies die Geschichte einer wechselseitigen Entfremdung. Dabei waren Deutschlands Konzernchefs lange so stolz auf ihre Nähe zu Angela Merkel. Bevor der langjährige VW-Chef Martin Winterkorn vor gut zwei Jahren über die kriminelle Manipulation der Dieselmotoren stürzte, wurde von ihm der Spruch überliefert: „Die Kanzlerin liebt mich.“
Wenn sie in Wolfsburg in ihrer Arroganz glaubten, über dem Gesetz zu stehen, dann lag das auch daran, an dieser Nähe zur Regierungszentrale: Im Zweifel würde es die Kanzlerin schon richten. Schließlich hat sie auch das VW-Gesetz gegen Brüssel gerettet, da konnte die EU-Kommission noch so viele Verfahren anstrengen, die speziellen Verhältnisse in Wolfsburg blieben dank ihrer Hilfe, wie sie waren.