
Verkehrspolitik : Scheuer aufs Abstellgleis
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Der Zug ist abgefahren: Verkehrsminister Scheuer konnte sich nicht für eine weitere Amtszeit empfehlen. Bild: dpa
Verkehrsminister Andreas Scheuer hat vieles vergeigt – und manches bewegt. Fest steht: In der nächsten Legislaturperiode muss sich einiges ändern. Es braucht einen Neustart in der Verkehrspolitik.
Andreas Scheuer hat versagt. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch im Amt ist. Der unbeliebteste Minister im Kabinett ist eine Fehlbesetzung, er hat einfach viel Mist gebaut und eröffnet lieber neue Autobahnkreuze, als sich um die Klimakatastrophe zu kümmern.
So oder ähnlich haben in den vergangenen Wochen Politiker und Journalisten über den scheidenden CSU-Verkehrsminister geurteilt. Und wie immer, wenn Hohn und Spott kübelweise ausgeschüttet werden, ist die Sache in Wahrheit komplizierter. Ja, die Bilanz des Verkehrsministers hat nicht nur Kratzer, sondern mehrere tiefe, nicht mehr zu reparierende Dellen. Aber einen Totalschaden hinterlässt Scheuer nicht, wenn er das Ministerium nach der Bundestagswahl mutmaßlich verlassen wird.
Delle Nummer eins ist die „Ausländer-Maut“, ein von Scheuer initiiertes Projekt, das juristisch ausgebremst wurde und deutsche Steuerzahler Hunderte Millionen Euro kosten dürfte. Von Anfang an war die Maut für Autofahrer ein Fiasko. Schon zu Beginn musste man sich wundern, warum die Maut keinerlei ökologische Lenkungswirkung enthielt, nach dem Motto: Wer mehr fährt, muss auch mehr zahlen. Als der Minister dann auch noch alle deutschen Autofahrer steuerlich so kompensieren wollte, dass nur Franzosen, Polen und andere Ausländer zur Kasse gebeten werden, war die Sache in den Augen der meisten Juristen klar: So kann man es nicht machen.
Unglückliche Rolle im Untersuchungsausschuss
Scheuer ließ sich nicht beirren. Er unterschrieb Ende 2018 trotz der Warnungen Verträge mit Maut-Betreibern ohne Rückfalloptionen, die ihm ein halbes Jahr später nach einem EuGH-Urteil auf die Füße fielen. Scheuer landete vor einem Untersuchungsausschuss des Bundestags, den er politisch knapp überlebte. Ob die Maut-Betreiber tatsächlich die von ihnen geforderten 560 Millionen Euro zugesprochen bekommen, wird sich zeigen. Sicher ist: Für weitere Spitzenämter hat sich der Mann aus Bayern, der sich im Ausschuss auf Erinnerungslücken berief, vorerst disqualifiziert. Zumal er bis heute beteuert, er würde „wieder so entscheiden“.
Delle Nummer zwei ist weniger sichtbar, aber nicht weniger bedeutsam. Scheuer wird das Ministerium nach zwölf Jahren CSU-Herrschaft – vor ihm saßen Peter Ramsauer und Alexander Dobrindt am Steuer – mit einer kläglichen Klimabilanz verlassen. Während die Industrie immer effizienter wird, sind die Treibhausgasemissionen im Verkehr in den vergangenen Jahren gestiegen.
Sie machen heute ein Fünftel der Gesamtemissionen aus. Der Verkehrsminister hat nie den Eindruck erweckt, als würde ihn das wirklich beunruhigen. Dazu passt seine jüngste Wahlkampfforderung, die auch wegen einer CO2-Abgabe steigenden Benzinpreise politisch zu begrenzen. Natürlich muss ein Verkehrsminister auch die Interessen der Autofahrer verteidigen. Beim Klimaschutz als Gemeinschaftsunterfangen geht es aber nicht, dass ein so wichtiger Bereich aus der Reihe tanzt.
Ein Neustart für die Verkehrspolitik ist nötig
Es gibt noch andere Dinge zu kritisieren, die verstolperte Reform der Straßenverkehrsordnung zum Beispiel. Es würde Scheuer aber nicht gerecht, würde man verschweigen, dass er 88 Gesetze und Verordnungen durch den Bundestag gebracht und damit durchaus auch vieles in die richtige Richtung bewegt hat: Es fließt mehr Geld in die Bahn- und ÖPNV-Infrastruktur, was die Voraussetzung für bessere Angebote und weniger Stau ist. Der „Deutschlandtakt“, also besser abgestimmte Fahrpläne, ist zumindest gestartet. Dasselbe gilt für den Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos, das vom Ministerium gefördert wird.
Zudem hat Scheuer dort gepunktet, wo man es vielleicht am wenigstens vermutet: Radfahrer-Lobbyisten loben, der Minister habe für sie mehr getan als seine Vorgänger. Auch die Vertreter der Verkehrsbetriebe, die Busse und Bahnen in Städten und auf dem Land betreiben, fühlten sich bei Scheuer in guten Händen. Zu guter Letzt ist Scheuer auch eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes gelungen, die den Taxi-Markt zumindest etwas liberalisiert und Fahrdienstleistern wie Uber ermöglicht, zu Wettbewerbern zu werden.
Unter dem Strich bleibt dennoch, dass die Verkehrspolitik einen Neustart braucht. Zu viel ist auf der Strecke geblieben oder wurde wie die wachsende Zahl der E-Autos einfach nur teuer erkauft. Der nächste Minister muss vor allem zwei Dinge schaffen: Erstens muss er oder sie ein schlüssiges Konzept entwickeln, wie der Verkehr der Zukunft jenseits von Einzelvorhaben aussehen soll. Und zweitens müssen Planungsverfahren endlich wirklich beschleunigt werden. Ohne das ist alles nichts.