Trumps Turbo-Tempo : Die Wette auf die schnelle Impfung
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Weltweit wird an einem Impfstoff gegen das Coronavirus geforscht. Bild: dpa
Die amerikanische Regierung will bis zum Jahresende einen Impfstoff haben. Doch Analysten sind skeptisch, denn das Turbo-Tempo bei der Einführung eines Mittels kann riskant sein.
Das amerikanische Unternehmen, das aktuell die größte Hoffnung auf einen wirksamen Impfstoff gegen Sars-Cov2 birgt, heißt Moderna Therapeutics. Das Unternehmen aus Massachusetts hat im vorigen Jahr 515 Millionen Dollar Verlust gemacht, der Umsatz war deutlich kleiner. Impfstoff-Entwicklung ist seine Spezialität. Es hat aber noch keinen einzigen auf den Markt bringen können.
Moderna hat sich einer neuen Klasse von Impfstoffen verschrieben, die deutlich weniger Entwicklungs- und Produktionszeit beansprucht. In der Corona-Krise lässt das Unternehmen ahnen, was in ihm steckt: Am 13. Januar, zwei Tage nachdem China die DNA des Coronavirus öffentlich machte, hatten Forscher des Unternehmens mit Hilfe des Nationalen Gesundheitsinstituts aus der DNA den Botenstoff (Messenger RNA) identifiziert, der als Impfstoff die Immunreaktion der Patienten stimulieren soll.
Moderna machte sich, finanziert durch die von Bill Gates mitgegründete CEPI (Coalition for Epidemic Preparedness Innovations), an die Produktion der Stoffes für einen ersten Test. Anfang März erlaubte die Genehmigungsbehörde FDA die erste klinische Studie, Mitte März wurde der ersten Testperson der Stoff injiziert. Mitte April teilte das Unternehmen mit, 483 Millionen Dollar von der Staatsagentur Barda erhalten zu haben für die Weiterentwicklung und Massenproduktion des Impfstoffes noch im Jahr 2020. Anfang Mai verkündete Moderna ein Produktionsbündnis mit dem Schweizer Pharma-Produktionsdienstleister Lonza, der Fabriken in 20 Ländern betreibt. Inzwischen liegt die behördliche Genehmigung für die nächste Testphase vor, die in Kürze beginnen soll. Die abschließende Phase 3 soll im Frühsommer eingeleitet werden. Acht bis zehn Jahre sind normal für Impfstoffentwicklung. Kein Wunder, dass sich der Wert des Unternehmens seit Ende Januar vervierfacht hat auf 80 Dollar. Zwei Professoren, die Moderna mitgegründet haben, wurden zu Milliardären.
In Überlichtgeschwindigkeit zum Impfstoff
Als Präsident Donald Trump verbreitete, er sei zuversichtlich, bis Ende des Jahres über einen Impfstoff zu verfügen, deuteten viele das als Bestätigung für das Unternehmen. Die von der Regierung verkündete „Operation Warp Speed“ (Überlichtgeschwindigkeit) will die Kräfte von Unternehmen, Forschern und Firmen bündeln, um schnell ein Heilmittel gegen das Virus zu finden. Acht Impfstoff-Kandidaten sollen gefördert werden, einer davon kommt von Moderna.
Die Entwicklung eines Impfstoffes in rasendem Tempo ist nicht mehr als ein Versprechen. Ende April legte die Investmentbank SVB Leerink, die sich auf die Pharmaindustrie spezialisiert hat, eine Analyse vor, die 25 Gründe präsentiert, besser nicht darauf zu setzen. Es würden Erwartungen geweckt, die schwer zu halten seien, warnen die Finanzanalysten. So wappneten sich Politiker zu wenig für das realistischere Szenario, in dem der Impfstoff erst in drei Jahren zur Verfügung stehe und Jahre ins Land gingen, bis jene berüchtigte Herdenimmunität erreicht sei, die erst Sicherheit stifte. Wenn zudem jetzt schon Leute gegen Auflagen zur Wahrung von Sicherheitsabständen protestierten, wie würden sie reagieren, wenn sie zur Impfung genötigt würden.
Eine spezielle Warnung formulieren die Investmentbanker für die neue Impfstoff-Klasse, der sich Moderna verschrieben hat. Sie berge die größte Hoffnung auf eine beschleunigte Entwicklung. Doch sie habe sich abgesehen von Tests noch nie bewährt im Menschen. Immerhin befassten sich Forscher seit 30 Jahren mit Impfstoffen, die auf der DNA des Erregers aufbauten und seit einem knappen Jahrzehnt auf dem Botenstoff, ohne einen Beweis, dass ein solcher Impfstoff Menschen schütze. Deshalb wetten die Investmentbanker lieber auf klassische Entwicklungen, die allerdings länger brauchten.
Die Skepsis der Analysten fußt auf langjährigen Erfahrungen: Die Wirksamkeit von Impfungen gegen Erreger, die Atemwege und die Lunge befallen, hat sich oft als mäßig herausgestellt. Selbst Grippe-Impfungen zeigen eine Wirksamkeit von 30 bis 70 Prozent und halten, so die Analysten, nicht lange vor. Gegen das seit sechs Jahrzehnten bekannte Coronavirus sei kein Impfstoff erfolgreich entwickelt worden, weil es sich als kompliziert erwiesen habe. Die Nebenwirkungen der Impfstoffe sind nicht zu vernachlässigen.
Umso größer ist die Gefahr einer beschleunigten Einführung. Die Analysten erinnern an zwei Impfungen, die an ihrem Start schwere Nebenwirkungen hatten. Der Impfstoff gegen Polio wurde Mitte der fünfziger Jahre unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit überhastet genehmigt. Einer der Produzenten stellte ein unausgereiftes Produkt her, an dem 70.000 von 200.000 geimpften Kinder erkrankten, 200 Kinder blieben paralysiert. Die Impfung gegen die neue Schweinegrippe in den siebziger Jahren ging bei knapp 100 von rund 40 Millionen geimpften Amerikanern einher mit einer seltenen neurologischen Krankheit. Die Finanzanalysten warnen. Impfgegner sind relativ still. Das aber könne sich ändern.