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Diskussion über Aktienrente : Christian Lindner und die Spitzensteuersatzzahler

Der Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zu Besuch im neuen Gebäude der F.A.Z. in Frankfurt am 19.01.2023. Bild: Frank Röth

Auf einer Hochschulveranstaltung in Frankfurt rührt Bundesfinanzminister Christian Lindner die Werbetrommel für seine Reformpläne zur Altersvorsorge. Die Kritik daran lässt den FDP-Vorsitzenden kalt.

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          Als Christian Lindner den großen Vorlesungssaal der Frankfurt School of Finance and Management betritt, zieht er die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Etwa 100 Studenten der privaten Hochschule sind gekommen, um mit ihm über Altersvorsorge und Aktien zu diskutieren. Es ist ein Heimspiel für den FDP-Vorsitzenden an dem letzten grauen Januartag.

          Felix Schwarz
          Volontär

          Während Lindner die Treppen hinunterläuft, spielen seine Mitarbeiter schon einen Werbespot des Bundesfinanzministeriums ab. Er nickt zum Takt der Musik, der Bass vibriert. „Es ist toll, endlich mal wieder an einer Hochschule zu sein“, sagt der Bundesfinanzminister. Süffisant sagt er, wie sehr er die „Saalschlacht“ mit seinen Lieblingsgegnern aus links stehenden Hochschulgruppen vermisst habe. An diesem Mittag muss er keine Grundsatzdebatten fürchten. Denn: „Sie werden alle mal den Spitzensteuersatz zahlen“, zeigt er in das Publikum und lächelt: „Ich sehe sehr viele Kunden.“

          Mit einem philosophischen Kurzvortrag über die angebliche „Staatsgläubigkeit“ der Deutschen redet sich Lindner in Rage. Erst als Moderatorin Najima El Moussaoui dazwischenfunkt, kommt er auf sein eigentliches Reformprojekt. Hinter der von der FDP propagierten Idee des „Generationenkapitals“ verbirgt sich ein Fonds, den eine öffentlich-rechtliche Stiftung verwaltet. Dieser soll vor allem mithilfe von staatlichen Krediten nun nach und nach gefüllt werden und möglichst hohe Renditen erzielen – mit dem Ziel, die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren.

          Zu wenig Kapital?

          In 15 Jahren will Lindner insgesamt 150 Milliarden Euro in den Fonds stecken, erst nach dieser Ansparphase sollen die Erträge der Rentenkasse zufließen. Dadurch seien Nettorenditen von 3 bis 4 Prozent möglich, am Ende stehe der Fonds mit einem „signifikanten dreistelligen Milliarden-Euro-Betrag“ da. Olaf Stotz, Professor für Asset Management und Pension Economics, wendet ein: „Das eingesetzte Kapital ist viel zu niedrig, um die gesetzliche Rentenversicherung nennenswert zu entlasten.“ Es brauche mindestens 30 Milliarden pro Jahr.

          Grundlegende Kritik an dem Modell äußert kaum jemand. Ein Student stellt jedoch die Frage, ob nicht alle Erwerbstätigen, also auch Selbständige, Beamte und Politiker, in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollten. Doch weil auch diese Personengruppen von Überalterung betroffen seien, löse dieser Vorschlag das Problem nicht, sagt Lindner. Mehr qualifizierte Migration von jungen Menschen sei die bessere Option.

          Am Ende, nach etwa 40 Minuten, erhält er tosenden Applaus. Die Studenten stehen Schlange, um ein Selfie mit ihm zu schießen. Der Minister erfüllt mit Wohlwollen ihren Wunsch. Doch wenn Lindner die Kapitalmarktskeptiker innerhalb der Bevölkerung wirklich überzeugen will, werden Veranstaltungen mit potentiellen Spitzensteuersatzzahlern nicht ausreichen.

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