New York : Pastrami ist passé
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Immer volles Haus: Das Carnegie Deli in New York. Bild: AFP
Das berühmte „Carnegie Deli“ in New York schließt. Damit verliert die Gastronomieszene der Stadt eine weitere Institution.
Erst vor ein paar Monaten hat das Restaurant „Four Seasons“ in New York geschlossen. Damit ging eine Ära in der Gastronomieszene der Stadt zu Ende. Das Nobellokal war berühmt für seine illustre Klientel. Hier trafen sich Prominente aus dem Showgeschäft, Wirtschaftsgrößen und Politiker seit Jahrzehnten zum „Power Lunch“. Jetzt gibt eine andere Institution der New Yorker Gastronomie auf, und diesmal trifft es nicht einen Gourmettempel, sondern einen Anbieter deftiger Hausmannskost.

Wirtschaftskorrespondent in New York.
Das „Carnegie Deli“ hat angekündigt, zum Jahresende seinen Betrieb einzustellen. Das 1937 eröffnete Restaurant, das ganz in der Nähe des Konzertsaals Carnegie Hall liegt, ist einer der berühmtesten New Yorker Vertreter sogenannter „Delicatessen“-Lokale oder „Delis“, die sich vor allem mit jüdischen Speisen wie Pastrami-Sandwiches oder Matzeknödelsuppe einen Namen gemacht haben. Hier drehte Woody Allen Teile seines Films „Broadway Danny Rose“, die Wände sind voll mit gerahmten und unterschriebenen Bildern von Prominenten, die hier gegessen haben, und auf der Internetseite ist ein Foto von Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton mit der Betreiberin Marian Harper zu sehen.
Das „Carnegie Deli“ hat in New York einen ähnlichen Rang wie „Katz’s Delicatessen“, jenes Lokal, das im Film „Harry und Sally“ zu Hollywood-Ruhm kam, als Meg Ryan hier während des Verzehrs eines Sandwiches einen Orgasmus nachahmte. Vor allem das Sandwich mit Pastrami, einem gepökelten und geräucherten Fleisch, ist im „Carnegie Deli“ geradezu legendär. Es hat monströse Ausmaße und ist um die zehn Zentimeter hoch, und es dürfte eine wahre Kalorienbombe sein.
Berühmt ist auch das „Woody Allen“-Sandwich mit einer Mischung aus Pastrami und Corned Beef. Das Restaurant hat das Motto „Wenn Sie aufessen, haben wir etwas falsch gemacht.“ Es ist freilich auch eine etwas gemeine Eigenheit des Lokals, Kunden dafür zu bestrafen, wenn sie auf die Idee kommen, eines der Riesen-Sandwiches miteinander zu teilen. In dem Fall werden zum Beispiel bei einem Pastrami-Sandwich 3 Dollar auf den Preis von 19,99 Dollar aufgeschlagen.
Turbulente Zeit hinter sich
Jüdische Delis waren in New York einmal allgegenwärtig. In den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts soll es einmal 1500 von ihnen gegeben haben, schrieb Ted Merwin unlängst in seinem Buch „Pastrami on Rye“, das sich mit der Geschichte dieser Lokale befasst. Heute sind nach seiner Schätzung nur noch 15 solche Delis übrig geblieben, und mit der nun verkündeten Schließung des „Carnegie Deli“ wird die Zahl weiter schrumpfen. Der Niedergang wird unter anderem auf veränderte Essgewohnheiten zurückgeführt, die sich nicht mehr mit den deftig-üppigen Gerichten in den Delis vertragen.
Wenn New Yorker heute von „Delis“ sprechen, meinen sie ohnehin oft nicht mehr die traditionellen jüdischen Lokale, sondern den kleinen Laden um die Ecke, in dem man frische Sandwiches ebenso kaufen kann wie diverse andere Dinge des täglichen Bedarfs von Toilettenpapier bis Zigaretten. Die bekanntesten jüdischen Delis wie das „Carnegie Deli“ und „Katz’s“ sind zwar weiterhin nicht schlecht besucht, allerdings sind sie eher Touristenattraktionen als Stammlokale von Einheimischen. Ein Kolumnist des Boulevardblatts „New York Post“ twitterte über das Ende des „Carnegie Deli“: „Einerseits ist das furchtbar. Andererseits habe ich gerade festgestellt, dass ich seit 15 Jahren nicht mehr da war, weil es ekelhaft ist.“
Anders als beim „Four Seasons“ hat das Verschwinden des „Carnegie Deli“ nichts mit einem Mietdisput zu tun, denn der 65 Jahre alten Chefin Marian Harper gehört das Gebäude, in dem das Lokal ist. Harper führte die Entscheidung vielmehr darauf zurück, dass sie genug habe von dem stressigen Leben als Restaurantbetreiberin. Die langen Arbeitszeiten hätten ihren Tribut gefordert, sagte sie. Harper hat mit dem Lokal auch eine turbulente Zeit hinter sich.
Vor zwei Jahren zahlte das Restaurant 2,7 Millionen Dollar, um einen Rechtsstreit mit Mitarbeitern beizulegen, die sich unterbezahlt fühlten. Das Geschäft wurde vor wenigen Jahren auch von einem Scheidungskrieg in Mitleidenschaft gezogen, den sich Harper mit ihrem damaligen Mann lieferte. Sie warf ihm dabei vor, geheime Rezepte an seine neue Freundin weitergegeben zu haben, die früher selbst einmal in dem Lokal arbeitete. Erst im vergangenen Jahr musste das Restaurant wegen einer unzulässigen Gasleitung den Betrieb einstellen. Bei der Wiedereröffnung zehn Monate später deutete wenig darauf hin, dass das endgültige Aus kurz bevorsteht. Sie wurde groß inszeniert, selbst Bürgermeister Bill de Blasio kam und twitterte hinterher ein Foto von einem Pastrami-Sandwich.
Das „Carnegie Deli“ wird nicht ganz untergehen. Es gibt ein paar Zweigstellen des Lokals, zum Beispiel in Las Vegas, die weiterbestehen sollen. Marian Harper will außerdem die Produkte, für die das Lokal bekannt ist, über den Großhandel vertreiben und die Marke „Carnegie Deli“ lizenzieren. Es gibt aber auch einen Versuch, das Traditionslokal selbst zu retten.
Sammy Musovic, ein früherer Geschirrspüler im „Carnegie Deli“, der mittlerweile drei eigene Restaurants in der Stadt hat, hat versprochen, fünf Millionen Dollar auftreiben zu wollen, um die Schließung abzuwenden. Vor wenigen Tagen hielt er eine kleine Kundgebung vor dem Lokal, dabei wurden Schilder mit der Aufschrift „Rettet das Carnegie Deli“ hochgehalten. Er scheint mit dem Vorhaben aber bislang auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Die Inhaber ließen mitteilen, sie hätten kein Interesse, mit Musovic über einen Verkauf des Lokals zu sprechen.