Drohender Bankrott : Wie viel Detroit steckt in Chicago?
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Chicago Bild: Reuters
Detroit war die letzte große Stadt in Amerika, die einen Bankrott nicht abwenden konnte. Nun droht Chicago ein ähnliches Schicksal. Die tickende Zeitbombe heißt Pensionen.
Für den Bürgermeister von Chicago, Rahm Emanuel, hätten nun endlich die etwas schöneren Tage in seiner rauen Stadt anbrechen sollen. Seine Wiederwahl in diesem Jahr hatte ihn viel mehr Anstrengung gekostet als erwartet. Der Winter war hart gewesen. Doch nun kämpfte sich langsam die Sonne durch. Und Emanuels alter Chef, Präsident Barack Obama, machte dem Bürgermeister eine große Freude. Er will nach seiner Präsidentschaft die Präsidenten- Bibliothek im Süden Chicagos errichten.
Ein Jahr hatte Obama suchen lassen, um sich dann für einen Standort zu entscheiden, in dem die Schwarzen Chicagos zu Hause sind. Die Region ist reich an Geschichte und ansonsten eher arm. Die Bibliothek sei eine einmalige Gelegenheit, sie werde gewaltigen kulturellen und ökonomischen Nutzen im Süden Chicagos stiften, jubelte Emanuel.
Doch noch am selben Tag kam dem ehemaligen Stabschef im Weißen Haus der Frohsinn abhanden. Denn am Dienstag verkündete die Ratingagentur Moody`s, sie habe die Werthaltigkeit von Chicagos Anleihen auf Junkbond-Niveau herabgestuft: von Baa2 zu Ba1 mit negativem Ausblick. Schon in Februar hatte Moody’s der Stadt eine Abwertung zugemutet. Die aktuelle Entscheidung fällt zusammen mit einem Urteil des Höchsten Gerichts des Bundesstaates Illinois, mit dem Reformpläne für Beamtenpensionen kassiert wurden.
Moody's: Pensionen nicht mehr gerichtssicher
Obwohl die Gerichtsentscheidung Chicagos Pensionssystem nicht direkt betrifft, sieht Moody’s offenbar die Gefahr, dass Emanuel Pläne zur Rettung der Pensionen nicht mehr gerichtssicher sind. Die Richter hatten ein Gesetz gekippt, das automatische Anpassung an steigende Lebenshaltungskosten abschaffen wollte und ein späteres Pensionsalter vorsah.
Chicago hat für seine Beamten im Ruhestand vier Pensionsfonds, die zusammengenommen ungedeckte Verpflichtungen in Höhe von 20 Milliarden Dollar haben.
Der für sein aufbrausendes Temperament bekannte Emanuel ist schwer verärgert über die Abwertung. Die Ratingagentur weigere sich die Fortschritte der Stadt anzuerkennen. Zwei der vier ererbten maroden Pensionsfonds seien in sichere Gewässer gebracht worden, sagte der Bürgermeister. Über die anderen beiden verhandele man erfolgversprechend mit der Arbeitnehmerschaft. Moody’s erkenne auch den Aufschwung nicht an, den Chicago erlebe und der Stadt mehr finanziellen Spielraum verschaffe. Emanuel ist auch deshalb so verärgert, weil er sich und den Stadtrat unter Druck gesetzt sieht, die Grundsteuern zu erhöhen. Das wollte er bisher vermeiden. Ein schlechtes Rating könnte aber die Kreditkosten der Stadt und damit den Druck zu Steueranhebungen erhöhen
Detroit war die letzte große Stadt in den Vereinigten Staaten, die einen Bankrott nicht abwenden konnte. Ungedeckte Pensionslasten spielten dabei eine große Rolle. Nicht wenige Städte und Bundesstaaten leihen sich Geld, legen es an der Börse an und hoffen, mit den Spekulationsgewinnen den steigenden Lasten für pensionierte Mitarbeiter Herr zu werden. Für Emanuel bleiben die Tage hart. So fordernd ist das eben in Chicago. Als Barack Obama verkündete, die drittgrößte Stadt Amerikas zur Heimat seiner Präsidenten-Bibliothek zu machen, sagte er: „Ich wurde erst zu einem richtigem Mann, als ich nach Chicago zog.“