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Ruanda : Ein Reformwunder mit Schönheitsfehlern

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Weich gepolstert sitzen sie: Ruandas Präsident Paul Kagame (rechts) und der amerikanische Außenminister John Kerry Bild: AFP

In Ruanda hat sich vieles verbessert - die Wirtschaft wächst, die Armut sinkt. Doch von einem freien, demokratischen Land ist es weit entfernt.

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          Wenn Ökonomen auf der Suche nach einer Erfolgsgeschichte auf dem afrikanischen Kontinent sind, landen viele bei Ruanda. Das kleine Land an den Großen Seen hat in der Tat eine erstaunliche Entwicklung hinter sich: Bis zu einer Million Menschen kamen 1994 bei dem Völkermord - im Kampf der Hutu gegen die Tutsi - ums Leben, darunter nahezu die gesamte Elite des Landes. Das bisschen Wirtschaftsleben, das es damals gab, wurde vollständig zerstört. 22 Jahre später ist Ruanda nicht wiederzuerkennen.

          Das Land hat heute ein gut ausgebautes Straßensystem, in der Hauptstadt Kigali sind überall Bauarbeiten im Gange, und freie drahtlose Internetverbindungen sind in den Restaurants und Cafés eine Selbstverständlichkeit. Einer der größten Devisenbringer des Landes ist der Tourismus, weil die Regierung früh den Wert von Wildtier-Tourismus erkannt hat und Reisen zu den Berggorillas geschickt vermarktet. 800 Dollar kostet ein zweistündiger Besuch bei den großen Primaten, und die Wartelisten sind lang.

          Ruanda hat eine Einschulungsrate von nahezu 100 Prozent und ein Krankenversicherungssystem, das mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entwickelt wurde und heute 91 Prozent der 13 Millionen Einwohner abdeckt. Das ist einmalig in Afrika. Die durchschnittliche Geburtenrate je Frau ist von 5,6 auf 4,5 Kinder gesunken - dank mehr Aufklärung, der kostenlosen Verteilung von Verhütungsmitteln und nicht zuletzt der allgemeinen Entwicklung des Landes auch über den flächendeckenden Internetzugang.

          Kagame regiert als „aufgeklärter Despot“

          Die Zahl der Ruander, die in völliger Armut leben, sank von 44 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2011 auf 39 Prozent im Jahr 2014, während das durchschnittliche Wirtschaftswachstum von 2001 bis 2015 bei satten 8 Prozent lag. Diese Erfolgsgeschichte wird vor allem dem Präsidenten des Landes, Paul Kagame, zugeschrieben. Der hatte einst als Rebellenführer den Völkermord beendet und regiert seither mit harter Hand.

          Oppositionsparteien haben einen schweren Stand in Ruanda, die Presse ist gleichgeschaltet, und wer sich dem Chef widersetzt, muss um sein Leben rennen, wie die verschiedenen Mordanschläge auf ruandische Dissidenten in Südafrika zur Genüge bewiesen haben.

          Das alles wird Kagame aber nachgesehen. Stattdessen wird er als „aufgeklärter Despot“ beschrieben; ein Mann mit demokratischen Defiziten, der gleichwohl weiß, wie man Dinge voranbringt. Die Korruption in Ruanda ist eine der niedrigsten in ganz Afrika, und Gesetze werden dort nicht nur verabschiedet, sondern auch durchgesetzt. Das macht die ruandische Führung zu einem der Lieblinge der internationalen Geber, weil diese zur Abwechslung einmal sicher sein können, dass ihr Geld tatsächlich etwas bewirkt.

          Abhängig auf vielen Ebenen

          Die Kehrseite dieser Medaille aber ist eine verheerende Abhängigkeit von den Gebern. Zwischen 30 und 40 Prozent des ruandischen Budgets stammen aus dem Ausland in Form von Zuschüssen. Das macht die ruandische Wirtschaft, die nach wie vor zu 90 Prozent aus landwirtschaftlicher Subsistenzwirtschaft besteht, extrem anfällig. Selbst kleine Schwankungen bei der Summe der Zuschüsse machen sich im Land sofort bemerkbar. Als die ruandische Militärführung vor einiger Zeit wieder einmal eine Rebellengruppe in Ostkongo unterstützte und daraufhin sowohl Amerika als auch einige europäische Nationen ihre Militärbeihilfe einfroren, lenkte die ruandische Regierung nahezu sofort ein.

          Aus dieser Abhängigkeit herauszukommen ist das erklärte Ziel der Regierung Kagame. Ruanda ist der ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetreten, in der die beiden regionalen Schwergewichte Kenia und Tansania den Ton vorgeben, und ist dabei, seine Haushaltsplanung, seine Handelsgesetzgebung und seine Einwanderungspolitik mit diesen Ländern abzustimmen.

          Die Regierung bekennt sich zu einer investorenfreundlichen Marktpolitik. Im „Doing Business“-Ranking der Weltbank ist das Land weit nach vorne gesprungen. Zugleich investiert es große Summen in die Ausbildung der jungen Generation. Angesichts fehlender Rohstoffe versucht das Land, Wissen als wichtigste Einnahmequelle zu generieren. Das Ziel ist, regionaler Führer bei den Informations- und Kommunikationstechnologien zu werden.

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