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Activision Blizzard : Microsoft verhebt sich

2010 erschien „Call of Duty: Black Ops“ – und wurde seither nicht vom Absatz-Thron gestoßen. Bild: AFP

69 Milliarden Dollar will Microsoft für Activision Blizzard ausgeben. Auf dem Zettel scheint die Übernahme ein lukratives Geschäft. Die Gefahr besteht aber, dass hier nur noch um eine leere Hülle gefeilscht wird.

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          Der Erfolg gibt Activision Blizzard Recht. Die Verkäufe sind gut, der zunehmende Schwenk zu Abonnement-Modellen, In-App-Käufen und zum mobilen Spielemarkt zahlt sich aus. In einem schwierigen Umfeld mit stagnierenden Wachstumszahlen vermag es der Spieleentwickler mit seinen Dauerbrennern „World of Warcraft“ und „Candy Crush“ verlässlich Geld einzufahren. Der Kauf durch Microsoft dürfte doch damit eigentlich eine sinnvolle Investition sein. Oder?

          Das Geld ist gut angelegt, solange die Dauerbrenner Dauerbrenner bleiben. Aber das ist nicht zwingend der Fall, wie die schwankenden Verkaufszahlen von „Call of Duty“ unter anderem zeigen. Der meistverkaufte Titel der Reihe ist mit rund 31 Millionen Einheiten nach wie vor „Black Ops“, erschienen im Jahr 2010. Die einzigen Titel, die jüngst an diese Zeiten anschlossen, waren solche, die die gleichen Namen wie diejenigen von Anno dazumal trugen: „Black Ops“ und „Modern Warfare“. Mitte der Zehnerjahre sanken die Verkaufszahlen der Reihe teilweise auf weniger als die Hälfte.

          Nostalgie beseelt und treibt die Verkäufe des gesamten Portfolios von Activision Blizzard. „World of Warcraft“? Läuft seit bald 20 Jahren und setzt auf eine alt-eingesessene, aber langsam schwindende Spielerbasis. „Diablo“? Setzt seit 25 Jahren auf das genau gleiche Spielprinzip – mit geringfügigen Anpassungen im bald erscheinenden vierten Teil und dem Handy-Ableger „Immortal“. „Candy Crush“? Das Handyspiel, das in den amerikanischen App-Stores die größten Umsätze im Vergleich zu den Konkurrenten einfährt.

          Das Haus wagt mit seinem Portfolio wenige Versuche und scheint sich auf den Lorbeeren vergangener Zeiten auszuruhen. Bestes Beispiel ist die Vermarktung von „World of Warcraft: Classic“. Spieler durchlaufen den gleichen Zyklus des Spiels, den es schon vor 20 Jahren begonnen hatte; das Spiel wurde quasi wieder auf Null zurückgedreht. Die Nachfrage hierfür war groß, dementsprechend fand das Spiel auch Anklang. Die Entwicklung neuer Funktionen entfällt, somit dürften die Kosten für das Projekt gering gewesen sein. Der größte Aufwand ist es, die Erfahrung möglichst originalgetreu zu rekonstruieren.

          Wie man seine Fans verärgert

          Und selbst das gelingt nicht immer: Mit der Neuauflage des 2002 erschienenen Strategiespiels „Warcraft III“ scheiterte das Studio krachend. Funktionen fehlten oder wurden dem Original gegenüber entfernt, das genaue Maß der Überarbeitungen wurde nicht richtig mitgeteilt. Und verbraucherfeindliche Praktiken, die dem Entwickler die Gewalt über Fan-Projekte sicherten, die im Spiel gebaut wurden, rundeten das Paket noch ab. Eingefleischte Fans des Spiels griffen weiterhin zur klassischen Version.

          Die neuste Marke von Blizzard ist das im Jahr 2016 erschienene „Overwatch“. Der bunte Action-Titel erreichte innerhalb kurzer Zeit nicht nur die Milliarden-Dollar-Marke für verkaufte Einheiten. Dieselbe Summe wurde auch mit Käufen im Spiel noch einmal erwirtschaftet. Ein Erfolg, an den Activision Blizzard anknüpfen wollte – mit dem 2022 erschienenen „Overwatch 2“. Dieses genießt den Ruf einer größeren Aktualisierung des ersten Teils, das die „2“ im Namen eigentlich nicht verdient.

          ACTIVISION BLIZZARD INC.

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          Microsoft holt sich mit Activision Blizzard Marken ins Haus. Bekannte Marken, historisch erfolgreiche Marken. Was sich Microsoft mit der Übernahme nicht mit an Bord holt: Das Humankapital, das diese Marken groß gemacht hat. Die führenden Köpfe hinter den erfolgreichsten Titeln sind längst nicht mehr in den Studios aktiv.

          Der kreative Geist ist verschwunden

          Jason West und Vince Zampella, die Schöpfer von „Call of Duty“ und den tragenden Titeln unter dem Namen „Modern Warfare“, verließen Activision im Jahr 2010 im Streit. 2019 strich Mike Morhaime, Mitgründer und langjähriger Chef von Blizzard, die Segel und nahm eine Reihe namhafter Entwickler zu seinem neuen Spieleverleger Dreamhaven mit.

          Wer ehemalige Köpfe der Studios in Diskussionsrunden verfolgt, hört immer wieder dieselben Aussagen: Der kreative Geist ist dem Haus abhanden gekommen und die Innovation fällt der sicheren Gewinnmaximierung zum Opfer, vom Rufschaden durch 2021 aufgekommene Anschuldigungen des Machtmissbrauchs und sexueller Übergriffe durch die mittlere Führungsriege ganz zu schweigen.

          Auf dem Zettel mögen die Zahlen noch stimmen. Ebenso ist es normal, dass Führungskräfte im Laufe der Zeit wechseln. Microsoft dürfte – sollten die Kartellbehörden dem Kauf zustimmen – auf mittlere Sicht weiter gute Umsätze mit den Spielen von Activision Blizzard einfahren.

          Aber ein Entwickler, der es in den vergangenen Jahren vermocht hat, seine treuesten Fans zu verärgern, sich von seiner Kernzielgruppe zu entfernen, seine eigene Belegschaft in großem Maße von sich wegzutreiben und keine großen Würfe in Planung hat, was Spiele anbelangt, könnte mit 69 Milliarden Dollar grob überbewertet sein.

          Gregor Brunner
          Redakteur in der Wirtschaft.

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