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Mehr Bewerber : Absolventen wollen zur Bank – aber bleiben nur, bis sie reich sind

Die Skyline des Frankfurter Bankenviertels, aufgenommen 2013. Bild: AFP

Trotz Krisenstimmung in der Branche verzeichnen Banken wachsende Bewerberzahlen. Klingt gut, doch es gibt ein Problem.

          3 Min.

          Seit den traumatischen Ereignissen der letzten Finanzkrise sind Banken mehr denn je in Verruf geraten, zumindest bei vielen Kunden, die mit ihrem Vermögen für die Freude der Banker am Risiko gerade stehen mussten.

          Jessica von Blazekovic
          Redakteurin in der Wirtschaft.

          Ganz anders sieht es bei Universitätsabsolventen aus, die sich auf Jobsuche begeben. Auf sie üben Banken mit ihrem Versprechen eines saftigen Gehalts und einer steilen Karriere immer noch eine magische Anziehungskraft aus. Die jungen Bewerber scheint es auch nicht abzuschrecken, dass viele Banken immer noch krisengebeutelt sind.

          Beispiel Deutsche Bank: Das größte deutsche Geldhaus befindet sich auf einem harten Restrukturierungskurs, erst kürzlich wurde ein Abbau von mehr als 7000 Stellen angekündigt. Fast zehn Prozent der Belegschaft muss gehen, darunter auch Banker in Führungspositionen. Dennoch verzeichnete die Deutsche Bank einen signifikanten Anstieg von Bewerbungen. Innerhalb eines Jahres sind einem Bericht der „Financial Times“ zufolge 20 Prozent mehr Lebensläufe eingegangen. Ein Insider verriet der Zeitung, man habe im vergangenen Jahr insgesamt 619 Absolventen eingestellt und erwarte, dass die Zahl in diesem Jahr überboten werde.

          Banken können nicht mehr so wählerisch sein

          Das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass gerade die bei ambitionierten Berufseinsteigern beliebte Investmentbanking-Sparte der Deutschen Bank unter großem Druck steht. Hier sollen am stärksten Kosten gedrückt und Mitarbeiter entlassen werden. Die Bewerbungen verteilten sich dem Insider zufolge jedoch auf alle Bereiche der Bank.

          Die Deutsche Bank ist kein Einzelfall. Auch bei Morgan Stanley und der Citigroup sind laut einer Datenerhebung der „FT“ die Bewerbungen nach oben geschnellt. Weitere Banken wollten zwar keine Angaben zu Bewerbungszahlen machen, bestätigten aber, derzeit mehr Absolventen einzustellen. UBS etwa habe trotz der Verunsicherungen über die Folgen des Brexit die Zahl der Neueinstellungen in Großbritannien auf 100 verdoppelt. Insgesamt habe der Konzern in diesem Jahr schon 400 Absolventen eingestellt, genau so viele wie im gesamten letzten Jahr. Morgan Stanley verzeichnete einen Anstieg der Bewerbungen um 8 Prozent, Barclays International wolle dieses Jahr 500 Absolventen einstellen, 50 mehr als noch 2017. Bei der Citigroup ist die Zahl der Bewerbungen um 12 Prozent gestiegen, auf insgesamt 60.761 für das Unternehmens- und Investmentbanking.

          Eine Auswirkung hatte die Finanzkrise aber doch auf die Einstellungspraxis der Banken. Unter den Elitestudenten der sogenannten amerikanischen Ivy-League-Universitäten und der britischen Top-Unis Oxford und Cambridge büßten sie stark an Beliebtheit ein. Vor der Krise habe man sich die Bewerber aus den besten Universitäten aussuchen können, sagte Manolo Falco, Chef des Unternehmens- und Investmentbankings der Citigroup für Europa, den Nahen Osten und Afrika, zu der Zeitung. Jetzt wähle man die Bewerber aus einer breiteren Menge aus.

          Warum gehen viele junge Banker nach kurzer Zeit wieder?

          Einen Grund für die gestiegenen Bewerbungszahlen sehen Konzerne in ihren Bemühungen, die Arbeitsbedingungen für ihre Angestellten zu verbessern. Der Job sei zwar immer noch anspruchsvoll, aber man versuche, an einer ausgewogenen Work-Life-Balance zu arbeiten, sagte Falco. Die Maßnahmen beinhalten etwa verpflichtende freie Wochenenden und flexiblere Verträge, um den Job attraktiver für talentierte Absolventen zu machen, die zwischen mehreren Jobangeboten wählen können. Inwiefern die Maßnahmen tatsächlich den Arbeitsalltag verbessern, wissen nur die Angestellten selbst. Die Bewerbungszahlen sprechen jedenfalls für den Einsatz der Banken, Bewerber anzulocken.

          Einem Bericht des amerikanischen Nachrichtendienstes Bloomberg zufolge haben die Geldhäuser vielmehr das Problem, Mitarbeiter im Betrieb zu halten. Das liegt vor allem an einem jungen Phänomen: Der Handel mit Kryptowährungen hat zahlreiche junge Banker in kürzester Zeit reich gemacht – und ihren kräftezehrenden Einsatz für den Arbeitgeber überflüssig.

          Die Jungen sind stehen Innovationen offener gegenüber

          Adrian Xinli Zhang ist einer von ihnen. Er befand sich auf dem besten Weg dahin, die Karriereleiter bei der Deutschen Bank in New York hinaufzuklettern. Doch der 29-Jährige machte durch den Handel mit Digitalwährungen in seiner Freizeit genug Geld, um das Geldhaus im März mit einem prallgefüllten Konto zu verlassen. Nur wenige Wochen zuvor sei er in eine Führungsposition aufgestiegen, berichtete Bloomberg. Eine ähnliche Geschichte erzählen drei Banker von Goldman Sachs, die die Bank in diesem Jahr aufgrund ihrer Erfolge mit Digitalwährungen an der Börse verließen.

          „Ältere Manager stehen Krypotwährungen skeptisch gegenüber“, sagte Adam Gimsley, ein ehemaliger Blackrock-Angestellter, zu Bloomberg. Wie viele seiner ehemaligen Kollegen gründete er nach dem Ausstieg aus dem Investmentbanking ein eigenes Unternehmen und arbeitet nun in Vollzeit mit Digitalwährungen. Junge Banker, so Gimsley, trügen weniger „intellektuelles Gepäck“ mit sich herum und hätten weniger Verantwortung, privat auch mal ein Risiko einzugehen.

          Während also die „alten Herren“ noch herausfinden, welche Chancen und Risiken Kryptowährungen für die Finanzwelt haben, verlassen die Jungen die Banken in Scharen, um sich ihnen komplett zu widmen. „Krypto ist auf jeden Fall ein Markt, der viele Talente aus der Finanzdienstleistungsbranche abwirbt“, bestätigt auch Chris Matta. Der 28-Jährige verließ seinen Arbeitgeber Goldman Sachs im vergangen Jahr – und gründete eine Investmentfirma für Digitalwährungen.

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