Zufriedenheit : Den Deutschen geht es richtig gut
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Kein Grund zur Sorge. Bild: picture alliance / ZB
Gibt es eine soziale Kluft in Deutschland? Davon ist nichts zu sehen. Die Deutschen sind so zufrieden wie lange nicht.
Wie viel besser das Leben in Deutschland in den vergangenen Jahren geworden ist, das hört man gerade fast täglich im Radio. Dort singen die Sportfreunde Stiller ihren WM-Hit aus dem Jahr 2006, und darin heißt es: „Für unseren langen Weg aus der Krise und aus der Depression lautet die Devise: Nichts wie rauf auf den Fußballthron!“
Mit Krise und Depression würde heute niemand mehr ein Lied dichten. Die Deutschen fühlen sich so gut wie lange nicht. 2012 waren die Deutschen mit ihrem Leben so zufrieden wie noch selten seit der Wiedervereinigung - und die ersten Ergebnisse aus der Welt-Werte-Umfrage des vergangenen Jahres deuten an: 2013 sind die Deutschen wahrscheinlich noch viel glücklicher geworden. So benehmen sich die Deutschen auch, wenn’s um ihr Geld geht: Sie geben es aus. Nicht nur, weil es auf der Bank kaum Zinsen bringt. Sondern auch, weil die Deutschen weniger Angst vor der Zukunft haben und sich ihres Einkommens auch in den nächsten Monaten sicher sein können.
„Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist überragend, und die Arbeitslosigkeit war seit der Wiedervereinigung nicht so niedrig“, sagt Mara Ewers, die am Institut der Deutschen Wirtschaft die Gemütslage der Deutschen betrachtet. Das ist aus ihrer Sicht entscheidend. Arbeitslosigkeit macht unglücklich - und je weniger Leute arbeitslos sind, desto zufriedener sind die Deutschen.
Aber ist es nicht so, dass Deutschland kurz vor der Spaltung steht? Warnt nicht die Industrieländer-Organisation OECD vor einer sozialen Kluft in Deutschland? Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher - so suggerierte die Debatte über den Wohlstand der Deutschen in den vergangenen Monaten. Und der Ökonom Thomas Piketty rechnete vor, dass das in Zukunft noch immer so weitergehen würde.
Schon im Wahlkampf zur Bundestagswahl vor einem Jahr hatte die SPD sich für eine Kampagne rund um Armut, Reichtum und soziale Gerechtigkeit warmgelaufen. „Deutschland besser und gerechter regieren“ hieß das Wahlprogramm. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte höhere Steuern für Reiche. Doch das Thema traf nicht recht den Nerv der Deutschen, die SPD sprach bald lieber über anderes - und die Grünen mussten feststellen, dass die Steuererhöhungspläne ihrer eigenen Wählerschaft gar nicht gefielen.
Auch heute zündet die Debatte nicht besser. Thomas Piketty prophezeit, dass die westliche Welt auf Dauer von den Erben reicher Leute beherrscht werden könnte - doch die These hat in Deutschland nur unter einigen Kommentatoren verfangen. Während sein Buch in den krisengeplagten Vereinigten Staaten innerhalb weniger Wochen ausverkauft war, obwohl es sich um ein ökonomisches Fachbuch handelte, fiel die Debatte in Deutschland nur auf dürren Boden und starb bald ab. Nach einer Woche wandten sich die Talkshows anderen Themen zu.
Tatsächlich geht es den Deutschen heute lange nicht so schlecht wie vor acht Jahren, als die Sportfreunde Stiller ihr Lied gedichtet haben. Heute haben zwei Millionen mehr Deutsche eine Arbeitsstelle als damals. Die Einkommen armer und reicher Leute gehen nicht mehr weiter auseinander, sondern sie nähern sich einander allmählich an - gegen den Trend in vielen anderen Industriestaaten. In Deutschland bekommen die Arbeitnehmer immer größere Anteile des Wohlstands, der jedes Jahr erwirtschaftet wird. Und am Dienstag erst rechnete das Statistische Bundesamt vor, dass auch die Löhne wieder schneller steigen als die Preise.
Deshalb ist es den Deutschen gar nicht so wichtig, ob Intellektuelle wie Thomas Piketty über eine Entwicklung in der Zukunft diskutieren, die in Deutschland heute gar nicht zu spüren ist - so sieht es Jürgen Schupp, der Leiter des „sozioökonomischen Panels“ am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, der jährlich 20.000 Deutsche nach ihrem Leben befragen lässt. Wichtiger sei, wie es den Nachbarn geht, sagt Schupp. „Der Schlüssel sind die Anspruchsniveaus, die sich an Arbeitskollegen, Partnern, Eltern und Nachbarn orientieren.“
Der Vergleich mit den Nachbarn und den Kollegen fällt für die meisten Deutschen gar nicht so schlecht aus. Denn der Wohlstand der meisten Deutschen liegt ziemlich nahe beieinander. Zum reichsten Zehntel der Deutschen gehört man oft schon, wenn man ein Reihenhäuschen abgezahlt hat: Die Vermögensgrenze liegt nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft bei 261.000 Euro. Und laut Einkommensteuerstatistik reicht schon ein Einkommen von 76.000 Euro für ein Leben unter den reichsten zehn Prozent.
Doch nicht nur das Geld stimmt die Deutschen zufrieden, ihre Bildung hilft vielleicht auch. Hochschulabsolventen sind nämlich ganz unabhängig von ihrem Einkommen mit ihrem Leben zufriedener als andere Leute. Und, wie DIW-Forscher Jürgen Schupp betont: Die 50-Jährigen von heute haben viel häufiger einen Hochschulabschluss als die Generation ihrer Eltern und Großeltern.