Tarifeinigung : Stahlarbeiter erhalten 3,6 Prozent mehr Lohn
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85000 Beschäftigte der Stahlindustrie in drei Bundesländern erhalten 3,6 Prozent mehr Gehalt. Und das schon ab Freitag. Auch die Zeitarbeiter sollen profitieren. Doch deren Branchenverband will die Regelungen nicht akzeptieren.
Die 85 000 Beschäftigten der Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen erhalten ab dem 1. Oktober 3,6 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Darauf einigten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft am Donnerstagmorgen bei der dritten Verhandlungsrunde in Düsseldorf.
Im September erhalten die Stahlkocher eine Pauschale von 150 Euro. Die Ausbildungsvergütungen werden um 40 Euro erhöht. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 14 Monaten. Die Gewerkschaft hatte eine Lohnerhöhung von 6 Prozent gefordert (siehe Stahlkocher verlangen sechs Prozent mehr Lohn). Leiharbeiter sollen nach Gewerkschaftsangaben ab dem 1. Januar 2011 die gleichen Stundenlöhne wie die Stammbelegschaft erhalten. Der Abschluss gilt für Beschäftigte von Branchengrößen wie ThyssenKrupp, Salzgitter und ArcelorMittal.
„Die Beschäftigten profitieren von dem Aufschwung“
„Es war ein schwieriges Unterfangen“, sagte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Helmut F. Koch, nach dem Ende der rund zehnstündigen Beratungen am Morgen. „Das Volumen der Entgeltanhebung belastet unsere Mitgliedsunternehmen erheblich.“ Wegen der Rahmenbedingungen der diesjährigen Tarifrunde sei jedoch keine moderatere Einigung möglich gewesen. Positiv zu bewerten sei, dass der vereinbarte Prozentsatz mit einer verlängerten Laufzeit habe verknüpft werden können.
„Die Beschäftigten profitieren von dem Aufschwung“, sagte der nordrhein-westfälische IG Metall-Bezirksleiter Oliver Burkhard. Er hatte zuvor gesagt, dass für die Stahlarbeiter die Zeit der Bescheidenheit vorbei sei. Das Ergebnis sorge dafür, dass die Beschäftigten fair und dauerhaft am Aufschwung beteiligt würden, sagte er nun. Die Auszubildenden bekämen überproportional mehr und erstmals gebe es in einen Flächentarifvertrag eine Fairness-Garantie für Leiharbeiter. Nachdem die Arbeitgeber auch in der zweiten Verhandlungsrunde kein Angebot vorgelegt hatten, hatte die IG Metall in der vergangenen Woche zu Warnstreiks aufgerufen.
Zeitarbeitsverband will Regelung nicht akzeptieren
Die Zeitarbeitsbranche will die Regelungen zur Leiharbeit in der nordwestdeutschen Stahlindustrie nicht akzeptieren. „Der Tarifabschluss ist ein Vertrag zulasten Dritter. Wir bezweifeln, ob eine solche Einschränkung einer rechtlichen Prüfung standhalten würde“, erklärte der Vizepräsident des Bundesverbandes Zeitarbeit (BZA), Thomas Bäumer, am Donnerstag in Berlin.
Der neue Tarifvertrag verpflichtet die Arbeitgeber dazu, nur Leiharbeiter zu beschäftigen, die von ihren Verleihfirmen den gleichen Lohn erhalten wie Stammbeschäftigte des Stahlwerks. Sollte dennoch unterschiedlich bezahlt werden, haben die Arbeitnehmer einen individuellen Anspruch gegen das Stahlunternehmen, wie die Gewerkschaft erläuterte. IG Metall-Chef Berthold Huber hatte die Vereinbarung als wichtige Etappe bezeichnet, um den Grundsatz gleicher Bezahlung durchzusetzen.
Gegen diesen Grundsatz wandte sich der BZA-Vize. „Es ist nicht praktikabel, jedes Mal umständlich einen Vergleichslohn auszurechnen, schließlich sind in Deutschland bekanntlich die Arbeitsverhältnisse, Vergütungen, Sozialleistungen und weitergehende individuelle Ansprüche komplex. Kaum ein Kundenunternehmen würde uns sein Vergütungssystem zeigen, nur weil es eine Urlaubsvertretung benötigt“, erklärte Bäumer in einer Mitteilung.
Leiharbeiter hatten bislang 20 Prozent weniger erhalten
3000 Leiharbeiter sind in der Stahlindustrie beschäftigt, ihr Anteil liegt damit bei etwa 3 Prozent. Facharbeiter verdienen in der Stahlindustrie nach IG Metall-Angaben monatlich rund 2600 Euro brutto, Leiharbeiter etwa 20 Prozent weniger.
„Es ist ein starkes Signal, was den Umgang mit der Leiharbeit in Deutschland angeht“, sagte Oliver Burkhard von der IG Metall. „Der Aufschwung darf nicht nur mit Leiharbeit gefahren werden.“
Bei der Zeitarbeit wollen die Arbeitgeber kein Exempel für andere Branchen mit Zeitarbeitern statuieren - etwa die Metall- oder die Bauindustrie. „Die Leiharbeit hat bei uns nicht die Bedeutung wie in anderen Branchen“, sagte Koch.
Ist das nun die Party der Gewerkschaft?
Als Verhandlungsführer der IG Metall hatte Bezirksleiter Burkhard zuvor im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gesagt: „Die Party findet zur nächsten Tarifrunde statt“. Erstmals seit der Krise sei wieder das Thema Geld, nicht das Thema Beschäftigung im Mittelpunkt stehe (siehe IG Metall: „Die Party findet zur nächsten Tarifrunde statt“).
In der Wirtschaftkrise hatte die IG Metall noch den Schwerpunkt auf die Beschäftigungssicherung gelegt. Sie hatte sich 2009 auf eine Einmalzahlung von 350 Euro und für 2010 auf eine Lohnerhöhung von zwei Prozent verständigt.
In den vergangenen Tagen sollen sich nach Angaben der Gewerkschaft 17.000 Beschäftigte an Warnstreiks beteiligt haben (siehe IG Metall ruft Stahlkocher zu Warnstreiks auf ). Vor dem Auftakt der Gespräche am Mittwoch hatten rund 700 Stahlkocher mit einer Protestaktion die Forderungen der Gewerkschaft unterstrichen. „Mehr muss her“, forderten sie auf Plakaten. Rund 77.000 der 85.000 Beschäftigten sind nach Angaben der IG Metall Gewerkschaftsmitglieder.
Die ersten großen Tarifverhandlungen nach der Krise
Nach dem Krisenjahr 2009 laufen die Hochöfen der Branche wieder auf Hochtouren. Die Auslastung liegt teilweise bei über 90 Prozent, die Kurzarbeit ist weitgehend aufgehoben. Nach den Worten Burkhards hat eine Lohnerhöhung nur begrenzte Auswirkungen auf die Gewinnlage der Unternehmen. Der Anteil der Lohnkosten an den Produktionskosten für eine Tonne Stahl liege bei neun Prozent. Der größte Brocken sind die Rohstoffkosten.
Die Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie waren die ersten größeren nach der schlimmsten Phase der Wirtschaftskrise. Dem Abschluss wird Signalwirkung auch für andere Tarifverhandlungen in nächster Zeit zugemessen.