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Sport-Rückkehr der Russen : Empörter Selenskyj attackiert das IOC

Deutliche Worte in Richtung des IOC: Wolodymyr Selenskyj Bild: dpa

Das IOC plant die Wiedereingliederung russischer und belarussischer Sportler. Die ukrainische Empörung nimmt zu. Nun äußert sich Wolodymyr Selenskyj – und schreibt einen Brief an Emmanuel Macron.

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          Die ukrainische Empörung über die geplante Wiedereingliederung russischer und belarussischer Sportler, unter anderem, um ihnen die Möglichkeiten zu geben, an den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris teilzunehmen, nimmt zu.

          Christoph Becker
          Sportredakteur.

          Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Sonntagabend in einer Videobotschaft, angesichts der Intensität der russischen Angriffe an der Front und auf die Zivilbevölkerung sei es „schockierend, dass wir internationale Sportbürokraten überzeugen müssen, dem Terrorstaat (Russland, d. Red.) jedwede Unterstützung zu verweigern. Der Versuch des Internationalen Olympischen Komitees, russische Athleten in Wettkämpfe zu Olympia zurückzuholen, ist der Versuch, der Welt zu erzählen, dass Terror angeblich etwas Akzeptables sein kann. Als wäre es möglich zu ignorieren, was Russland Cherson, Charkiw, Bachmut und Awdijika antut.“

          „Großer olympischer Fehler“

          Er habe sich am Sonntag mit einem Brief an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron gewandt, um darauf zu drängen, dass Russland weder die Spiele in Paris noch jeden anderen internationalen Wettkampf als Bühne für seine Aggression und seinen staatlichen Chauvinismus nutzen dürfe. Selenskyj führte an, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts „zu viele Fehler“ gemacht worden seien, die zu „entsetzlichen Tragödien“ geführt hätten, darunter ein „großer olympischer Fehler“. Die „olympische Bewegung und terroristische Staaten sollten sich definitiv nicht überschneiden“, sagte Selenskyj.

          Macron und er hatten am 24. Januar in der Angelegenheit miteinander telefoniert. Tags darauf hatten die Mitglieder der Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die über Monate vorbereitete Rückkehr russischer und belarussischer Sportler dem Grundsatz nach ermöglicht.

          Wie weit die praktische Umsetzung bereits gediehen ist, zeigen die Aussagen von Randhir Singh, des geschäftsführenden Präsidenten des Olympic Council of Asia. Singh sagte dem „Indian Express“, dass es für Sportler aus asiatischen Staaten, die bei den Asienspielen in Huangzhou im September und Oktober von russischen und belarussischen Sportler besiegt werden, zusätzliche Medaillen geben werde. Mit dem IOC und den internationalen Verbänden werde man eine Regelung bezüglich der Olympiaqualifikationsplätze erarbeiten, so dass russische Sportler asiatischen Sportlern keine Plätze wegnehmen. „Sport ist kein Ort für Politik“, sagte Singh. „Sport ist ein Ort für Liebe, Freundschaft und Brüderschaft.“ Sportler seien eine Familie.

          Selenskyj hatte Bach bereits in seiner Videobotschaft vom vergangenen Freitag nach Bachmut eingeladen, um zu „zeigen, dass Neutralität nicht existiert“. Am kommenden Freitag will das nationale olympische Komitee der Ukraine über einen Boykott der Spiele für den Fall der Teilnahme russischer Sportler beraten. Wladimir Klitschko, Olympiasieger von 1996 und Bruder des Kiewer Bürgermeisters Witali Klitschko, richtete sich in einem Video direkt an Thomas Bach und verwies auf russische Kriegsverbrechen. „Sie dürfen nicht Ihr olympisches Emblem auf diese Verbrechen setzen“, ansonsten mache er sich zum Komplizen der Verbrechen des „abscheulichen Kriegs“: „Machen Sie das nicht, sonst verraten Sie den olympischen Geist. Die Welt schaut auf Sie, die Geschichte wird Sie beurteilen.“

          „Stimmt’s, Herr Bach?“

          Selenskyjs Berater Michailo Podolyak  hatte das IOC zuvor als „Förderer von Krieg, Mord und Zerstörung“. Es sehe „mit Vergnügen zu, wie Russland die Ukraine zerstört und bietet Russland dann eine Plattform, um den Völkermord zu fördern und ermutigt es zu weiteren Morden“. Russisches Geld, welches „olympische Heuchelei“ kaufe, habe offenbar „keinen Geruch von ukrainischem Blut. Stimmt’s, Herr Bach?“, schrieb Podolyak an den IOC-Präsidenten gerichtet. Ein IOC-Sprecher wies wenig später „diese und andere diffamierende Äußerungen aufs Schärfste zurück“. Sie könnten „nicht als Grundlage für eine konstruktive Diskussion dienen“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur.

          Laut IOC genießt das Konzept zur Rückkehr russischer und belarussischer Sportler, das eine Teilnahme ohne Flaggen, Hymnen und Landesfarben vorsieht, unter Sportfunktionären weltweit große Unterstützung. Im ZDF hatte Bach am Sonntag gesagt, es „geht um individuelle neutrale Athleten ohne irgendeinen Bezug zu einer Nationalität“, zugleich sei es Mission des IOC, Olympische Spiele als „vielleicht letzte Brücke zwischen Ländern und Nationen aufrecht zu erhalten“.

          Das IOC sei konfrontiert mit den Bedenken zweier Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates. Sie sehen in dem Ausschluss aufgrund der Herkunft einen möglichen Verstoß gegen das Nichtdiskriminierungsgebot. Das IOC hatte am 28. Februar 2022 den internationalen Sportverbänden empfohlen, russische und belarussische Sportler nicht mehr zu internationalen Wettkämpfen zuzulassen und diesen Ausschluss in der Folge mit Sorge um deren Sicherheit angesichts möglicher Anfeindungen und möglichen Sanktionen durch Regierungen von mit der Ukraine verbündeten Staaten begründet.

          Das nationalen olympischen Komitees von Russland und Belarus sowie russische IOC-Mitglieder, unter ihnen Jelena Issinbajewa, Majorin in der russischen Armee, wurden nicht sanktioniert. Das Internationale Paralympische Komitee hatte die nationalen paralympischen Komitees Russlands und von Belarus im November 2022 auf Grund von Mehrheitsbeschlüssen suspendiert.

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