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Grüner Beton : Es geht auch ohne Zement

  • -Aktualisiert am

In Form gebracht: Betonbausteine in der Pilotanlage von Carbonaide im finnischen Hollola. Bild: Carbonaide

Auf dem Weg zu umweltfreundlichem Beton gibt es vielversprechende neue Verfahren. Ein finnisches Unternehmen fertigt Bauteile, so fest wie Beton, die ohne Zement auskommen.

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          In Island wird Kohlenstoffdioxid, das aus der Luft abgeschieden wird, in den Untergrund gepresst. Dort verwandelt es sich in weniger als zwei Jahren in Karbonat, ein Mineral hart wie Stein. Es ist damit so gebunden, dass es die Atmosphäre nicht mehr belastet. Genau diesen Prozess nutzt das aus einem Forschungszentrum hervorgegangene finnische Unternehmen Carbonaide, um zementfreie Bauteile herzustellen, die so hart sind wie Beton.

          Bei der Zementherstellung entstehen rund acht Prozent der von Menschen verursachten Emissionen an Kohlenstoffdioxid. Das will der Geschäftsführer von Carbonaide, Tapio Vehmas, ändern. Schon in wenigen Jahren sollen in Finnland zehn Fabriken laufen, die Fertigbauteile herstellen, die ohne Zement, also auch ohne das dabei entstehende CO₂, auskommen. Darüber hinaus binden die Bauteile zusätzlich das klimaschädliche Gas, das der Luft entnommen wird. In einer Pilotanlage, die Carbonaide im finnischen Hollola betreibt, laufen bereits vollautomatisch Pflastersteine für den Baukonzern Skanska Group vom Band.

          Zement fungiert in Beton als Bindemittel zwischen den Zuschlagstoffen Sand und Kies. Carbonaide ersetzt das Bindemittel durch ein Gemisch aus Hochofenschlacke, Grünlauge, die bei der Zellstoffherstellung anfällt, und Bioasche, etwa aus Heizkraftwerken, die Holz verfeuern. Daraus rührt das Unternehmen einen Brei an und füllt ihn in Formen. Beim Abbinden wird zusätzliches CO₂ eingelagert und in einem Karbonatisierungsprozess versteinert. Wie in Islands Untergrund reagiert das Gas mit den Calcium- beziehungsweise Magnesiumsilikaten, aus denen Hochofenschlacke im Wesentlichen besteht. Je Kubikmeter Fertigmaterial schluckt der neuartige Beton 60 Kilogramm CO₂. Das Verfahren ist also mehr als klimaneutral, es entlastet die Atmosphäre und könnte, im großen Stil eingesetzt, wirksam gegen den Klimawandel sein.

          1,8 Millionen Euro für die erste Großanlage

          Das ist zumindest geplant. Carbo­naide hat vom finnischen Staat, strategischen Investoren und der heimischen Betonindustrie 1,8 Millionen Euro bekommen, um die erste Großanlage für zementfreie Bauteile zu errichten. Sie soll jeden Tag bis zu fünf Tonnen CO₂ aus der Atmosphäre entfernen. Weitere geplante Fabriken sollen auf Millionen Tonnen im Jahr kommen.

          Nicht ganz so effektiv sind zwei andere Verfahren zur Betonherstellung, in denen ein Teil des Zements ersetzt wird. Forscher an der Rice University im texanischen Houston setzen auf Flugasche aus fossilen Kraftwerken, aus denen sie zuvor die Schwermetalle entfernen. Damit ersetzen sie 30 Prozent des Zements, die Emissionsreduktion beziffern sie auf 30 Prozent. Zusätzlich erhöhen sich die Festigkeit und Elastizität des Betons.

          Ähnliche Einsparungen an Klimagasemissionen erreichen Forscher am Massachusetts Institute of Technology (MIT) nahe Boston. Sie verteilen sich auf die Phase, in welcher der Beton angerührt wird, also eine breiartige Konsistenz aufweist und noch nicht abgebunden hat, und auf die Phase, in der Beton im Laufe der Zeit CO₂ aus der Luft einfängt. Das geschieht auch heute schon, hat aber nicht nur positive Folgen. Das Kohlenstoffdioxid sorgt indirekt für Korrosion der Stahlbewehrung etwa im Inneren von Brücken. Diesen Effekt verhindern die MIT-Wissenschaftler mit einer ungewöhnlichen Zugabe: Sie mischen in den Brei aus Zement, Kies und Sand, der nach dem Abbinden Beton ist, Natriumbikarbonat. Das kennt man eigentlich vom Bäcker. Die nennen es schlicht: Backpulver.

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