Pilot in Not : Wenn der Flugzeugführer selbst abspringen muss
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Das erste Mal: Die Hand gehört an den Auslösegriff, obwohl der Schirm automatisch öffnet. Bild: Frank Herzog
Für einige Piloten ist das Tragen eines Fallschirms Pflicht. Ob sie im Notfall aber springen würden? Ein Seminar soll die Schwellenangst verringern.
Als Pilot aus einem unkontrollierbar gewordenen Flugzeug mit dem Fallschirm abspringen? Eine Horrorvision. Dabei ist bei einer ganzen Reihe von Luftfahrzeugen der Pilot verpflichtet oder es wird dringend empfohlen, an Bord einen Fallschirm zu tragen. Etwa in Absetzflugzeugen, die Fallschirmspringer in die Luft bringen. Hier kam es zu oft vor, dass ein Springer gegen Leitwerk oder Streben knallte, so dass die Maschine unsteuerbar wurde. Das führte zu tödlichen Abstürzen, denn der Pilot ist ohne Chance, wenn er keinen Fallschirm trägt. Auch Kunstflieger sind gefährdet, dass ihre Maschine durch extreme Manöver überlastet wird und sie in der Luft aussteigen müssen. Eine dritte Gruppe sind die Segelflieger. Ihre Gleiter sind so konstruiert, dass im Notfall die Haube rasch zu öffnen ist, um sich per Schirm zu retten. Für sie besteht bei Wettbewerben und im Kunstflug Fallschirmpflicht. Bleibt die Frage: Traut sich ein Pilot im Notfall tatsächlich, auszusteigen, wenn er zuvor noch nie einen Absprung geübt hat?
Hier kommt nun Fallschirmsprunglehrer Sascha Bone ins Spiel. Er lebt im Allgäu und arbeitet ehrenamtlich in Flug- und Fallschirmsportvereinen. Gleichzeitig ist Bone aber auch Pilot und darf als Instruktor Fliegerkollegen auf bestimmte Flugzeuge einweisen. Als erfahrener Luftsportler mit vielen tausend Sprüngen kennt er beide Aviatik-Welten perfekt. Und deshalb weiß er, dass es nicht damit getan ist, als Pilot einen Fallschirm umzuschnallen, wenn man nicht sicher ist, ob man im Ernstfall auch wirklich springen würde. Denn eine Reaktion im Notfall muss rasch und zielgerichtet geschehen, um erfolgreich zu sein.
Deshalb ist an diesem Sommertag am Flugplatz Tannheim im Allgäu eine kleine Gruppe versammelt. Alle sind Piloten und gewohnt, beim Fliegen Fallschirm zu tragen, aber keiner hat jemals einen Absprung versucht. Hier sind sie zum sogenannten Bailout-Seminar, übersetzt Rettungsaktion, zusammengekommen, um das nachzuholen: Unter Anleitung selbst aus einem Flugzeug zu springen, damit es im echten Notfall auch klappen würde. Seminarleiter Bone ist überzeugt: Wer in Extremsituationen handlungsfähig bleiben will, muss Notverfahren lernen und Abläufe trainieren. Sonst geht’s bei einer Gefahr auf Leben und Tod, und nur in dieser ist ein Absprung sinnvoll, vermutlich schief. Dann handelt der Pilot womöglich falsch, zu spät, in der verkehrten Reihenfolge oder ist so paralysiert, dass er überhaupt nicht mehr reagiert. Aber das wäre womöglich das Todesurteil.
Los geht es für die Probanden mit Theorie. Videos und Fotos von Absprüngen, dazu kommt die Einweisung in aerodynamische Kräfte und Meteorologie – quasi eine Fallschirmsprungausbildung light. Um den fünf Teilnehmern zu demonstrieren, aus welch geringer Höhe ein Absprung immer noch lebensrettend sein kann, steht anschließend eine besondere Vorführung auf dem Seminarprogramm. Zwei Dummys mit Fallschirmen werden an Bord einer Cessna gebracht. In gerade mal 150 Meter über der Graspiste des Flugplatzes Tannheim werden sie abgeworfen. Ihre Schirme öffnen sich per Automatik innerhalb von drei Sekunden. Trotz der geringen Höhe fliegen beide Puppen nach dem Auslösen des Fallschirms noch fast eine halbe Minute am Schirm, bevor sie die Erde erreichen. Die Beobachter sind beeindruckt.