Reparaturarbeiten : Fliegender Drahtseilakt unter Hochspannung
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Die Augusta A109 startet von einem Umspannwerk der RWE aus in Koblenz zu einem Einsatz Bild: Peter Thomas
Es sieht abenteuerlich aus, wie die Dreharbeiten eines Actionfilms. Aber es ist vergleichsweise günstig, schnell und sicher: Reparaturen an Hochspannungsleitungen mit dem Hubschrauber. Ein Fall für Spezialisten.
Die Hochspannungsleitung scheint schon zum Greifen nahe, als Rolf Zander sich aus der Hubschraubertür auf die frei stehende Arbeitsplattform schiebt. Aber die blaue Maschine vom Typ Agusta A109 fliegt immer näher an das Erdseil heran, das in der obersten Ebene der Freileitung zwischen den beiden Mastspitzen hängt. Der Helikopter vibriert leicht im Seitenwind, Pilot Roland Mühl hält die Maschine jedoch präzise auf der Stelle, knapp einen Meter vom Seil entfernt.
Jetzt packt Zander mit einer großen Arbeitszange das Blitzschutzseil und sorgt so für den Potentialausgleich zwischen Leitung und Hubschrauber. Dann zieht der Monteur das Seil mit den Händen zu sich heran und wickelt eine Spirale aus Aluminiumdraht um die Stelle, an der das Geflecht aus Stahl und Aluminium ausgefranst ist. Der Einsatz ist erfolgreich beendet, Zander löst die Zange, es kann weitergehen zur nächsten Reparatur.
Was sich hier gut 50 Meter über dem Boden abspielt, sieht aus wie die Dreharbeiten eines Actionfilms. Dabei ist die an der Luftschraube schwebend ausgeführte Reparatur und Wartung von Erdseilen mittlerweile Alltag für Monteure, Piloten und die anderen Männer in diesem Team. Das Arbeiten aus einem Hubschrauber heraus gilt sogar als sicherste Art, Schäden am Blitzschutz einer Hochspannungsleitung zu reparieren, wie die Abteilung Arbeitssicherheit der RWE mitteilt. Und die Stromversorger müssen es wissen. Die RWE Rhein-Ruhr Netzservice GmbH ist in Deutschland Vorreiter beim Einsatz dieser Technik. Zander zeichnet hier im Bereich Hochspannungsfreileitungen als „Koordinator Leitungen“ unter anderem für die Reparaturen aus dem Hubschrauber heraus verantwortlich.
Zwei unterschiedliche Verfahren gibt es
Das Hubschrauberunternehmen Rotorflug und RWE haben diese Lösung gemeinsam seit 2003 entwickelt und vor vier Jahren erstmals angewandt. Anregungen dafür gaben Energieversorger in anderen Ländern, die schon länger Helikopter für Montage- und Reparaturarbeiten einsetzen, wie Klaus Walther, Geschäftsführer der Rotorflug GmbH aus Friedrichsdorf, erläutert. Zwei unterschiedliche Verfahren gibt es: Entweder werden die Monteure am Seil in einem Korb vom Hubschrauber heruntergelassen, oder sie arbeiten von einer seitlich an der Maschine angebrachten Plattform. Zunächst wurde mit der Korb-Lösung experimentiert, schließlich entschieden sich die Verantwortlichen aber für eine ergonomisch und in Sachen Sicherheit verbesserte Ausführung der Montageplattform.
Dabei wird der Monteur von einem Stahlrohr-Käfig davor geschützt, zwischen Hubschrauber und Seil eingeklemmt zu werden. Zugleich trägt der obere Teil der Konstruktion die Reparaturspiralen, deren längste Ausführung mehr als drei Meter misst. Dass solche Anbauteile an den serienmäßigen Montagepunkten des Hubschraubers angebracht werden können, sei mit entscheidend für die Wahl der Agusta A109 gewesen, sagt Klaus Walther. Außerdem besitzt der Helikopter zwei Triebwerke und ein einziehbares Fahrwerk: Das sichert gegen das Absacken beim Ausfall einer Turbine ab und sorgt im Flug für einen glatten Rumpf ohne Kufen, die sich im Seil verheddern könnten.
Auch der Vogelschutz muss beachtet werden
Ein Jahr haben die beiden Partner für die technische Entwicklung und Zulassung des Systems gebraucht. Bisher hat Rotorflug erst einen der insgesamt drei Hubschrauber vom Typ Agusta A109 in der eigenen Flotte entsprechend umgebaut - im Rahmen der Erstzulassung war das eine umfangreiche Angelegenheit. Wenn weitere Maschinen folgen sollten, werde das allerdings schneller gehen, schätzt Flugunternehmer und Berufspilot Walther.
Neben der Reparatur der Erdseile wird der Hubschrauber auch genutzt, um Vogelschutzmarkierungen an den Seilen anzubringen. Bei diesem Verfahren zum Vogelschutz war RWE nach Angaben von Michael Wahl, Leiter Bau und Instandhaltung Hochspannungsleitungen bei der RWE Rhein-Ruhr Netzservice GmbH in Trier, Vorreiter. Mitte der neunziger Jahre haben drei staatliche Vogelschutzwarten in einem von RWE in Auftrag gegebenen Langzeitprojekt das Risiko für Zugvögel untersucht, sich in den Hochspannungs-Freileitungen zu verfangen. Dabei stellte sich heraus, dass vor allem die Erdseile gefährlich für Vögel sind: Die niedriger liegenden Ebenen mit den nebeneinander verlaufenden Phasenseilen sind für die Tiere offenbar besser zu erkennen als das einzelne Schutzseil, das sich über die Mastspitzen zieht.
Klassische Reparaturverfahren einen hohen Aufwand