Profi-Ski im Selbstversuch : Der Tag, an dem ich Svindals Weltcup-Ski vollblutete
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Ski steil: Es sieht verflucht schwierig aus, was ein Fahrer wie Svindal mit seinem Rennski macht. In Wirklichkeit ist es noch viel schwieriger. Bild: Imago
Abfahrtsskier der Profis sind nichts für unsereins. Das ist nun mal so. Aber was passiert, wenn man es nicht wahrhaben will? Wir haben es ausprobiert.
Erst wollten sie nicht. Sträubten sich höflich, aber bestimmt. Ja, ja, nette Idee, durchaus, aber leider unmöglich. Zu gefährlich! Rennski seien nun mal unfahrbar für einen Normalsterblichen, auch wenn der sein Können selbstbewusst oberhalb des Durchschnitts einstufe. Abgesehen davon, dass man eine abgesperrte Strecke benötigen würde sowie perfekte Sicht: Kaum zu steuern solche Teile, ungeheuer kraftraubend, fürchterlich aggressiv. Nein, nein, das komme nicht in Frage, keinesfalls. Wäre unverantwortlich. Es war also einiges an Überredungskunst erforderlich.

Redaktion „Technik und Motor“
Dann meldete sich am Telefon eines Tages Matthias Klaiber, Marketingmanager Deutschland von Head: Okay, die Sache läuft, wir machen das. Einen Super-G-Ski aus dem Damen-Weltcup könne er organisieren, 2,07 Meter lang. Und – an dieser Stelle muss der Leser sich einen kleinen Tusch denken – es sei ihm gelungen, im Race Department von Head original Abfahrtslatten von Aksel Lund Svindal loszueisen. Länge 2,18 Meter, Radius 50 Meter, das Extremste, was es im Weltcup gibt.
Das Race Department des österreichischen Herstellers Head liegt in Kennelbach bei Bregenz, nicht weit vom Bodensee entfernt. Sämtliche Rennskier werden dort entwickelt, gefertigt, getunt und aufbewahrt. Wer bei Head unter Vertrag steht, den versorgt Kennelbach mit Material. Lara Gut und Lindsey Vonn gehören dazu, Tina Weirather und Anna Veith, Ted Ligety, Josef Ferstl, Beat Feuz, Alexis Pinturault, Kjetil Jansrud – 55 Spitzenfahrer alles in allem. Eine der herausragenden Figuren: Svindal, der 100-Kilo-Hüne aus Norwegen, Olympiasieger, Weltcupsieger, Weltmeister, Überlebender eines Horrorsturzes 2016 auf der Streif.
Das mit dem Loseisen, hatte Klaiber hinzugefügt, sei übrigens alles andere als einfach gewesen. Und nur unter einer Bedingung: Keine Fotos von Kanten und Belag! „Das Präparieren von Rennskiern wird wie ein Staatsgeheimnis behandelt.“
Das Rennski-Depot von Kennelbach muss eine Art alpine Schatzkammer sein, in der Gegenstände verwahrt werden, die ein Vermögen und eine riesige Medaillensammlung repräsentieren. Nicht drei oder vier Paar je Athletin und Athlet lagern dort, sondern je nach Spezialdisziplin 30 bis 60, im Fall Svindals 60 bis 70. Eine Auswahl von etwa 20 Paar nehmen die Serviceleute eines Fahrers zu einem Rennen mit, stimmen sie auf die Strecke, die Temperaturen, den Schnee ab, richten Kanten und Beläge her.
Die Experten für Wachs und Schliff können den Unterschied ausmachen, das ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass sie die Skier ihrer Sportler zwischendurch immer wieder selbst auf der Piste bewegen. Denn häufiges Benutzen, oftmaliges Bearbeiten und Wachsen der Gleitflächen macht die kostbaren Bretter nicht langsamer, sondern schneller. Wettkampf-Skier sind oft mehrere Jahre alt und keineswegs zu verwechseln mit jenen nagelneuen Produkten, die bei der Siegerehrung vor die Fernsehkamera gehalten werden. Das sind die berühmten „Zielski“ aus dem Sortiment für die zahlende Kundschaft. Head bewirbt auf diese Weise derzeit das Modell Supershape iSpeed, ein umsatzstarkes Produkt für eine breite Zielgruppe sportlicher Skifahrer. Alle im Rennsport aktiven Hersteller machen das so.