Lichtsmog : Wenn die Dunkelheit schwindet
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Das grelle Leben: Las Vegas macht die Nacht zum Tage. Bild: Peter Frischmuth / argus
Ein großer Lichtanteil im öffentlichen Raum erhellt zwar den Nachthimmel künstlich, hat jedoch keinen wirklichen Nutzen. Neue Konzepte vermeiden Lichtsmog und entlasten kommunale Etats.
Sandor Isepy ist ein gefragter Mann. Der 53 Jahre alte gebürtige Ungar reist von Tagung zu Tagung, Kollegen fragen um Rat. Dabei ist seine Funktion eher eine unauffällige: Beim Tiefbauamt der Stadt Augsburg ist Isepy für die öffentliche Beleuchtung verantwortlich. Allerdings gilt die Straßenbeleuchtung Augsburgs als vorbildlich. In den vergangenen gut eineinhalb Jahrzehnten wurde sie systematisch umgerüstet. Und die Bilanz kann sich sehen lassen: Um etwa 20 Prozent ging der Stromverbrauch seither zurück, Ausgaben von rund 250000 Euro bleiben dem Stadtkämmerer Jahr für Jahr erspart - manch klamme Kommune wäre dankbar dafür.
Als der Ingenieur 1988 begann, galt sein Augenmerk zunächst der Minderung von Lichtimmissionen, also der Verringerung jenes Lichtanteils im öffentlichen Raum, der einzig den Nachthimmel künstlich aufhellt und niemandem nutzt. Auf rund 30 Prozent schätzen Fachleute den sogenannten Lichtsmog, der den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus zunehmend glättet. Über Städten und Ballungsräumen ist dieser Lichtsmog als helle Glocke für jeden sichtbar. Besonders bei hoher Luftfeuchtigkeit wird dort das Licht gebrochen, gestreut und weiträumig übers Land verteilt.
Übermaß an Licht rund um den Globus
Wie bedeutsam das Phänomen inzwischen ist, zeigten italienische und amerikanische Astronomen mit ihrem Weltatlas der Lichtimmissionen, den sie aus Satellitendaten zusammenstellten. Die Aufnahmen beweisen, daß es in Deutschland inzwischen kaum noch wirklich dunkle Flecken gibt. Gleiches gilt für die Schweiz, und das bei nur 6 Prozent Siedlungsfläche. Für die Schweiz schätzt man, daß der Lichtsmog Jahr für Jahr um sechs bis neun Prozent zunimmt. Etwa proportional zum Flächenverbrauch nimmt der Lichtmüll in Deutschland zu. Wie lästig oder schädlich dieses Übermaß an Licht ist, darüber streiten die verschiedenen Lager, je nach Interessenlage. Seit Jahrzehnten schon klagen die Astrophysiker über das "Verschwinden" der Sterne. Betroffen sind aber auch nachtaktive Tiere. Kaum untersucht ist die Wirkung der "Homogenisierung" von Tag und Nacht auf den menschlichen Organismus.
Verbesserung der Lichtquellen
Die Verschwendung einzudämmen, ohne Städte ins Dunkel zu tauchen, ist dabei ganz einfach. Effizientere Leuchtmittel allein führen nicht zum Ziel. Vielmehr geht es um die Optimierung von Lampe und Leuchten. Letztere sind oft nachlässig konstruiert. Häufig strahlen sie dorthin, wo man das Licht gar nicht braucht, etwa an die Hauswand oder gen Himmel. An einer simplen, rundum abstrahlenden Glaskugelleuchte wird die Fehlkonstruktion rasch klar. Alles Licht, das in den "oberen Halbraum" dringt, ist verschwendet. Eine simple Abschirmung, horizontal in der Leuchtenmitte, löst das Problem. Die Beleuchtungsstärke nach unten, zu Straße und Gehweg hin, wird nahezu verdoppelt. Auf diese Weise genügt ein Leuchtmittel mit halber Wattzahl, oder jede zweite Straßenlaterne wird überflüssig.
Durchdachte Lichgeometrie
Ideal sind voll abgeschirmte Leuchten, wie sie bei der Deutschen Bahn zur Standardausrüstung gehören. Ein einfacher Test zeigt die Wirksamkeit: Auf Augenhöhe ist das Leuchtmittel von der Seite nicht mehr zu erkennen. Das Ergebnis solch durchdachter Lichtgeometrie läßt sich auf der Kanareninsel Teneriffa beobachten, wenn man über sie hinwegfliegt: Die Straßenbeleuchtung ist kaum zu erkennen, während die Fahrbahnen nachts hell erstrahlen. Entsprechende Konzepte lassen sich, im Zuge von Instandsetzungen, auch hierzulande realisieren. Oft genug aber werde, beklagt Andreas Hänel, Astrophysiker am Planetarium "Museum am Schölerberg" in Osnabrück, in den Kommunen gedankenlos geplant und eine alte Lampe einfach durch eine neue ersetzt.
Eine statt zwei Lampen
Sandor Isepy weiß, daß schon mit einfachen Mitteln viel zu erreichen ist, ohne daß Komfort und Sicherheit leiden. So werden in Augsburgs Innenstadt, dort wo die Häuser höher sind und mehr Schatten werfen, die Laternen früher eingeschaltet als in anderen Stadtteilen. In Sommernächten brennt in vielen Straßenlaternen nur eine von zwei Lampen. In verkehrsärmeren Zeiten - etwa nach Mitternacht - wird gedimmt. Alle 25000 Leuchtstellen der Stadt wurden von Quecksilberdampf- auf Natriumhochdruckdampflampen doppelter Effizienz umgerüstet. Und manchmal genügen schon nachträglich installierte kleine Blenden oder Spiegel, um Lichtstrahlen auf den rechten Weg zu bringen.
Geringerer Energieverbrauch
Auch die Gebäudebeleuchtung bietet noch reichlich Lichtsparpotential. Statt der traditionellen Bestrahlung von unten nach oben, die immer auch den Nachthimmel erhellt, finden Leuchten besser unter Gesimsen, Balkonen oder Fensterlaibungen Platz. Solch fassadennahe Beleuchtung erzeugt nicht nur weniger Lichtsmog und vermindert den Energieverbrauch. Obendrein läßt sich mit solch akzentuierter Beleuchtung manch planerisches Detail detailreicher herausarbeiten. Und fraglich ist, ob das stete Aufrüsten von Leuchtreklamen tatsächlich mehr Aufmerksamkeit erzeugt. Licht braucht, um zu wirken, immer auch das Dunkel, denn das menschliche Auge verlangt nach Kontrasten.
Kompliziert wird es, wenn man sich dem Lichtsmog streng wissenschaftlich zu nähern versucht. Bis heute läßt sich der Lichtmüllanteil nur schätzen. Satellitenaufnahmen belegen zwar dessen Existenz, doch wegen der fehlenden Auflösung läßt sich das Ausmaß der Immission kaum quantifizieren. Rene Kobler vom Institut für Umwelttechnik der Fachhochschule Basel will dagegen etwas unternehmen: Um vergleichbare Resultate zu erhalten, möchte der Umweltingenieur ein Meßnetz aufbauen. In wenigen hundert Metern Höhe zum Einsatz gebracht, soll es über begrenztem Gebiet den Lichtmüll registrieren und Entwicklungen verfolgen.