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Steiler Weinanbau in der Pfalz : Wein mit 68 Prozent

So schräg steht Johannes Reibold sonst nirgends in seinen Weinbergen. Erst Anfang des Jahres haben sein Bruder und Marc Depper mit dem Projekt begonnen. Bild: Frank Röth

Vier junge Leute haben in der Pfalz aus einem verwilderten Steilhang einen Weinberg mit Lagenbezeichnung gemacht. Das war ein hartes Stück Arbeit und manchmal ein Kampf – mit Seilwinden, Sägen und Behörden.

          5 Min.

          Um zum wohl steilsten Weinberg der Pfalz zu gelangen, muss man sich nur am Pfälzerwald orientieren. Wer sich dem nördlichen Zipfel des Mittelgebirges nähert, hat das Ziel fast erreicht. Von Osten kommend, durchqueren Besucher eine wunderschöne Landschaft mit sanften Hügeln, auf der viele Winzer seit Jahrzehnten ihre Rebstöcke verteilt haben. Zwei von ihnen sind die Brüder Johannes und Philipp Reibold, die vor einigen Jahren das gleichnamige Weingut von ihrem Vater in Freinsheim übernommen und auf die Erfolgsspur gebracht haben.

          Marco Dettweiler
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Wo Wein gemacht wird, trinkt man ihn auch gern – jedenfalls in der Pfalz. Deswegen hat Marc Depper, ein guter Freund der Reibolds, zusammen mit seiner Frau Franziska Willersinn und deren Familie im Juli 2020 die „Alte Kellerei“ in Neuleiningen bei Grünstadt gekauft, um darin ein Weincafé mit großzügigem Garten, Gästezimmern und einem Kellergewölbe für besondere Anlässe und Feiern zu betreiben. Zu dem Anwesen gehört ebenso ein verwilderter, steiler Hang in Südexposition. Der ist von dort auf den ersten Blick gar nicht zu sehen, erst recht nicht von den Gästen, weil sie im Garten sitzend und Wein trinkend vor allem die Aussicht genießen.

          Nun war klar, was kommen musste, wenn der eine Freund einen Steilhang eigentlich zufällig mitgekauft hat und die anderen wissen, dass darauf wunderbar Wein wachsen könnte. Also haben die Reibolds Anfang des Jahres das Stück Land mit einer Steigung von 68 Prozent (34 Grad) gepachtet, das Anfang dieses Jahres noch ein wilder, verbuschter und vergessener Hang war und mittlerweile von immer mehr Kollegen als ambitioniertes Projekt bestaunt wird. Nur wer sich etwas über die Begrenzungsmauer des Anwesens beugt und gezielt nach unten schaut, entdeckt die Pflanzen, die an stählernen Stangen emporwachsen. An den Blättern erkennen Pflanzenfreunde, dass es Wein sein muss, Profis wissen aufgrund der Blattform, dass es Chardonnay ist.

          Selbst die Winzer von der Mosel dürften der Lage „Am Mühlberg“ hier in Neuleiningen Respekt zollen. Auch wenn ihre Rebstöcke im Gegensatz zu denen in der Pfalz fast immer in extremer Hanglage stehen. Die Moselaner haben mit dem Bremmer Calmont sogar die steilste Lage in Europa.

          Links hinter der Begrenzungsmauer des Weincafés „Alte Kellerei“ geht es hinunter zum Steilhang. Bilderstrecke
          Weinbau : In der Pfalz gehen sie steil

          Bevor die Freunde sich draußen an die Arbeit machen konnten, um den verwilderten Hang auf Vordermann zu bringen, kamen sie schon gedanklich ins Schwitzen. Denn hierzulande darf niemand einfach so einen Weinberg anlegen. Das Team machte sich also im November 2020 auf den Weg zur Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz in Neustadt, um sich zu erkundigen, ob das Flurstück in der Weinbaukartei existiere. Es kam die ernüchternde Antwort: Nein, tut es nicht. Das bedeutet in Deutschland, dass der Wein nur in der niedrigsten Qualitätsstufe „Deutscher Wein“ verkauft werden darf, wenn überhaupt.

          Die Naturschutzbehörde muss dafür die Rekultivierung des Hanges zum Wingert genehmigen. Weil die Reibolds Ökowinzer sind und zudem das ganze Team zu überzeugen wusste, tat sie das im Januar dieses Jahres. Einen Monat später kam der Bescheid, dass am Mühlberg „Deutscher Wein“ angebaut werden darf. Das war aber noch nicht das Ende der Pflanzenstange, die Rekultivierung konnte aber schon mal beginnen.

          Mit heißem Tee und Motorsägen

          Es war kalt, sehr kalt, Anfang Februar dieses Jahres in der Pfalz. Rekultivierung klingt nach filigranen Fingerübungen an den Pflanzen, es war jedoch harte Arbeit mit groben Maschinen. An manchen Tagen fiel das Thermometer auf minus neun Grad Celsius. Franziska Willersinn versorgte ihren Mann und die Reibolds mit heißem Tee, während die Männer zunächst mit Motorsägen den Bäumen und Büschen auf den Leib rückten. Doch nicht alle ergaben sich.

          Also musste eine Seilwinde her, um die besonders hartnäckigen Bäume herauszuziehen. Vor allem mussten die Wurzeln aus dem Erdreich verschwinden, nur den Baum mit der Motorsäge zu fällen reichte nicht. Danach haben die jungen Pfälzer kleine Terrassen angelegt, indem sie Steine setzten und Treppen in den mit Buntsandstein durchzogenen Hang schlugen. Wer als Besucher hier mitten im Weinberg steht, mit einem Bein oben und dem anderen stützend darunter, um den Weinenthusiasten zuzuhören, dem wird schnell klar, was für harte Arbeit die Rodung dieser 750 Quadratmeter gewesen sein muss.

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