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Gegen Lärm von Güterzügen : Mit Flüsterbremse und Schallschutzwand

  • -Aktualisiert am

Die Wand ist kein Hingucker, aber sie hilft. Bild: Peter Thomas

Der Lärm von Güterzügen nervt die Anwohner. Die Bahn setzt ein Lärmsanierungsprogramm dagegen. Eine Maßnahme ist besonders wirksam.

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          Der Bahnverkehr soll in Deutschland konsequent ausgebaut werden. Doch vor allem Anwohner von Strecken, auf denen viele Güterzüge fahren, klagen schon heute über die Lärmbelastung. Dagegen geht die Bahn mit diversen Maßnahmen an Fahrzeugen, Strecke und Gebäuden vor. Anlässlich des „Internationalen Tages gegen den Lärm“ zieht das Unternehmen eine positive Bilanz: Bis 2020 soll sich der Bahnlärm gegenüber dem Jahr 2000 halbieren.

          Ist also im kommenden Jahr endgültig Schluss mit den rumpelnden Güterwagen? Zumindest soll das bei jenen Wagen aus dem Bestand von DB Cargo gelten, die in Deutschland eingesetzt werden. Bis Ende 2020 nämlich hat die Gütersparte der Deutschen Bahn sämtliche ihrer rund 54.500 älteren Wagen mit neuen Bremssohlen ausgerüstet. Diese LL-Sohlen (das Kürzel steht für „low noise, low friction“ / geringer Lärm, geringe Reibung) ersetzen die über Jahrzehnte üblichen Bremsklötze aus Grauguss. Jene rauhen die Laufflächen der Radsätze auf und sorgen so für den dröhnenden Lauf der Güterzüge.

          Im besten Fall sorgt der Austausch für eine Halbierung des Lärms (so wird vom Menschen eine Lärmreduzierung um zehn Dezibel wahrgenommen), den ein Güterzug verursacht. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn so gut wie alle Wagen im Verband mit modernen Bremsen ausgerüstet sind. Als leise gewertet werden deshalb nur Züge mit mindestens 90 Prozent Wagen, die eine solche Flüsterbremse haben. Neben den nachgerüsteten Bremsen mit LL-Sohle zählen dazu auch Bremsen mit K-Sohle in neu beschafften Güterwagen. Von diesen neuen Wagen hat DB Cargo derzeit rund 8400 Stück im Bestand. Zusammen mit den nachgerüsteten Wagen kommt die Güterbahn bis Ende 2020 auf 63.000 leise Güterwagen. 200 Millionen Euro wird DB Cargo in die Umrüstung der Güterwagen investieren.

          Nur bei Neubaustrecken

          Um den Eisenbahnverkehr in Deutschland leiser zu machen, gibt es weitere Vorkehrungen: Entweder wird die Ausbreitung des Schalls verringert, zum Beispiel durch Schallschutzwände, oder seine Einwirkung auf den Menschen gesenkt, unter anderem durch Schallschutzfenster für Anwohner. Nur bei Neubaustrecken ist der Lärmschutz gesetzlich vorgeschrieben. Aber für Bestandsstrecken gibt es seit 1999 ein freiwilliges Lärmsanierungsprogramm. Dessen Umsetzung ist dringend notwendig. Denn nach Angaben des Umweltbundesamtes fühlte sich 2016 mehr als ein Drittel der betroffenen deutschen Bevölkerung durch Schienenverkehrslärm gestört oder belästigt.

          Zu den Anstrengungen für leisere Eisenbahnstrecken gibt es sowieso kaum eine Alternative, wenn der Bahnverkehr weiter ausgebaut werden soll. Denn die gesellschaftliche Akzeptanz der Schiene hängt auch von der Lärmbelästigung ab, die insbesondere von vielbefahrenen Güterstrecken ausgeht. Andreas Gehlhaar, Leiter Umwelt und Lärmschutzbeauftragter der Deutschen Bahn, hatte den Zusammenhang bereits im vergangenen Herbst betont: „Wir wollen mehr Verkehr auf der Schiene, das hilft der Umwelt und dem Klimaschutz. Dieser Verkehr darf aber nicht zu einer Belastung für die Anwohner von Bahnstrecken werden. Daher wollen wir den Schienenverkehrslärm bis 2020 halbieren.“ Referenz für dieses Ziel der Halbierung ist das Jahr 2000.

          Das wäre dann knapp ein Drittel der betroffenen Strecken

          Und wie steht es um die Fortschritte bei der Reduzierung des Bahnlärms? Sowohl hinsichtlich der oben erwähnten Umrüstung der Güterwagen als auch bei der freiwilligen Sanierung von Bestandsstrecken sei man im Plan, heißt es im neuen Lärmschutzbericht.

          Diese Lärmsanierung soll bis zum kommenden Jahr rund 2000 Kilometer Strecke umfassen. Das wäre dann knapp ein Drittel der betroffenen Strecken. Denn insgesamt hat die Bahn nach einer Neubewertung von 18 000 Kilometern des Netzes insgesamt 6500 Streckenkilometer mit Lärmemissionen festgestellt, die nachts über 57 Dezibel oder am Tag über 67 Dezibel liegen. Das sind die Auslösewerte für den freiwilligen Lärmschutz. Zum Vergleich: Beim Neu- und Ausbau von Bahnstrecken schreibt die Bundesimmissionsschutz-Verordnung Lärmschutz ab Schallpegeln von 49 Dezibel in der Nacht und 59 Dezibel am Tag vor. Wie gemessen wird, legt die 2015 erschienene Richtlinie „Berechnung des Beurteilungspegels für Schienenwege“ fest, kurz „Schall 03“.

          Lärmschutz hat aber nicht nur eine akustische Komponente, sondern auch eine ästhetische: Bahnstrecken komplett mit hohen Lärmschutzwänden aus Blech abzuschirmen ist keine wirklich befriedigende Lösung. Entsprechend werden verschiedene Alternativen untersucht, zum Beispiel seit 2016 im Programm I-Lena (Initiative Lärmschutz-Erprobung neu und anwendungsorientiert). Dazu gehören beispielsweise Schienenstegdämpfer, die den Körperschall noch im Schienenkörper verringern, aber auch niedrige Schallschutzwände, Kunstholzschwellen und Schienenschmieranlagen.

          Als bislang wirksamster Hebel zur Senkung des Schienenlärms gilt die Umrüstung der Güterwagenbremsen. Aber auch wenn DB Cargo hier 2020 komplett umgestellt haben will, ist noch deutlich Luft nach oben: Im vergangenen Jahr wurden erst 31 Prozent der Trassenkilometer im deutschen Schienennetz mit leisen Zügen erbracht. Schließlich machen die Wagen von DB Cargo nur rund ein Drittel der in Deutschland verkehrenden Güterzüge aus.

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