Schuko oder Wieland? : Wende im Streit um Balkonkraftwerke
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Sonne tanken: Und mit welchem Stecker fließt der Strom am besten ins Hausnetz? Bild: Picture Alliance/dpa
Simpler Schukoanschluss oder teurer Wieland-Stecker? In der Frage, womit Besitzer ihre kleine Solaranlage ans Hausnetz anschließen, herrscht Verunsicherung. Erst äußerste sich die Bundesnetzagentur dazu, nun scheint der VDE nachzugeben.
Um Solarstrom zu gewinnen, ist ein eigenes Hausdach nicht zwingend. Balkonkraftwerke mit bis zu 600 Watt Einspeiseleistung dürfen von jedermann selbst aufgebaut und betrieben werden. Das wird immer beliebter – um ein paar Euro zu sparen, oder einfach aus Freude an der Technik. Fast 200.000 dieser Stecker-Solar-Geräte gibt es in Deutschland schon. Sie bestehen aus ein oder zwei Photovoltaikmodulen, einem Wechselrichter, der Gleichstrom in Wechselstrom wandelt, einem Kabel und einem Stecker. Doch ausgerechnet die vermeintlich simpelste Komponente, der Stecker, verunsichert die Anhänger der Balkonkraftwerke.
In den Kampf um die richtige Verbindung hat sich jetzt der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, eingemischt – als Fürsprecher des Schukoanschlusses. Der reiche nach Einschätzung seiner Behörde, sofern die Anlage einen zertifizierten Wechselrichter habe. Er begrenzt die Einspeiseleistung auch dann auf 600 Watt, wenn die Module eine höhere Peak-Leistung haben. Und er schaltet in 200 Millisekunden ab, damit niemand an Pole mit Restspannung langen kann.
Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hat ermittelt, dass 77 Prozent der Besitzer ihre Anlage ohnehin über einen gewöhnlichen Schukostecker mit dem häuslichen Stromnetz verbunden haben. Die Autoren sagen, hier habe sich ein technischer Standard durchgesetzt. Nur ganz so einfach ist es nicht. Denn der Schukoanschluss, einstecken und fertig, ist technisch nicht normkonform. Die Betreiber der Mini-Kraftwerke stolpern damit im Haftungsfall in eine rechtliche Grauzone.
Norm DIN VDE V 0628-1 stammt aus der Feder des Verbands der Elektrotechnik (VDE). Er wendet ein, der Schukoanschluss sei ein Sicherheitsrisiko, es brauche vielmehr einen Wieland-Stecker. Dessen Pole liegen nicht frei, sind verpolungssicher, und alles ist in hitzebeständigeren Kunststoff gehüllt. Weil es sich bei den PV-Modulen nicht um gewöhnliche Haushaltsgeräte handele, die Strom beziehen, sondern um Erzeugungsanlagen, die ihn einspeisen, müssten die Besitzer mit einem solchen Stecker etwa vor Stromschlägen geschützt werden. Der Haken: Einen Wieland-Stecker muss ein Elektriker installieren, was Zeit und Geld kostet. Hinzu kommt, dass viele Kunden noch einen smarten Strommesser brauchen, um zu wissen, wie viel Energie ihre Anlage produziert. Für den Schukoanschluss gibt es solch einen smarten und wetterfesten Stecker für etwa 20 Euro. Eine Wieland-Verbindung grenzt das Angebot ein, die kompatiblen Stromflussmesser liegen hier zwischen 60 und 80 Euro.
Gründe genug für viele Kunden sowie etwa den Verein Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) den simplen Schukostecker zu verteidigen. Sie hoffen, er möge nun seinen Weg in die technische Norm finden. Im November legte der VDE nämlich einen neuen Entwurf vor. Ein Gremium, zu dem auch der DGS gehörte, hat ihn erarbeitet. Nur fand der Schukoanschluss wieder nicht in den eigentlichen Text. Immerhin ist er als Alternative im Anhang des Entwurfs vermerkt.
Unter Bedingungen: Die Anlage muss schnell (in unter 200 ms) abschalten können sowie die Leistung begrenzen, und es dürfe nur eine Anlage je Wohnung angeschlossen sein. „Für 2023 gilt der Neujahrsvorsatz: weniger Bürokratie dafür mehr Freude an der Energiewende“, schrieb Klaus Müller auf Twitter. Ob Wunsch und Machtwort des Bundesnetzagentur-Chefs für Gleichberechtigung zwischen Schuko und Wieland sorgen kann, wird sich eigentlich erst nach dem 14. Februar zeigen. Solange steht der Entwurf (DIN VDE V 0126-95) für Einspruch offen.
Überraschend verschickte der VDE aber diese Woche eine Mitteilung, die die Wende ankündigt. Darin fordert der Verband nicht nur, die Bagatellgrenze von den heute gültigen 600 Watt auf 800 Watt anzuheben. Die Systeme sollten auch an jeden Stromzähler angeschlossen werden dürfen. „Zähler sollen im Rahmen der Bagatellgrenze auch rückwärtslaufen dürfen“, schreibt der Verband in seinem Positionspapier. Damit müssten Verbraucher, die so Strom sparen wollten, nicht auf ein Smart Meter warten. Und: Der Verband spricht nun explizit davon, den Schukostecker bis 800 Watt Einspeiseleistung zu „dulden“, auch wenn man als Fachhandwerk einen anderen Weg bevorzuge. Die wachsende Beliebtheit der Mini-Solaranlagen will man aber nicht ausbremsen.